Krise als Chance? Perspektiven alternativer Paradigmen in der Stadttourismuspolitik

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 2.104
Autor*innen
Nils Grube (TU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag wirft einen gezielten Blick auf die pandemischen Krisenerfahrungen im Stadttourismus und diskutiert an den Fallbeispielen Berlin und Amsterdam die Perspektive einer möglichen Destabilisierung wachstumsorientierter Paradigmen durch alternative Sichtweisen.

Abstract

Der Tourismus ist zurück in den Städten und vielerorts steht die Wiederkehr der Besuchszahlen auf das vorpandemische Niveau unmittelbar bevor. Deutlich weniger spürbar sind die Konflikte um den Stadttourismus, die zur Zeit vor dem Ausbruch des Coronavirus zu intensiven Diskussionen über die negativen Folgen touristischer Überlastung geführt hatten. In diesem Zusammenhang hatten eine Reihe prominenter europäischer Großstädte die Notwendigkeit einer auf Nachhaltigkeit ausgelegten Tourismuspolitik erkannt und diese mithilfe innovativer Policy-Ansätze eingeleitet. Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung eines drohenden „back-to-normal“ im Stadttourismus stellt sich die Frage, wie sich in Folge der Pandemiekrisenerfahrungen die Bedingungen einer nachhaltige(re)n Tourismusentwicklung geändert haben.

Zur Diskussion der Perspektiven eines politischen Wandels in der städtischen Tourismuspolitik greift dieser Beitrag die theoretische Debatte über policy paradigms auf (Hall 1993, Baumgartner 2014, Hogan und Howlett 2015). Politische Paradigmen werden hierbei als ein Rahmen von Ideen und Normen verstanden, innerhalb dessen politische Entscheidungsträger arbeiten und der die Ziele und Instrumente von Politiken spezifiziert. Im hieraus abgeleiteten qualitativ-interpretativen Forschungsansatz werden policy paradigms nun als konzeptioneller Begriff verwendet, mit dessen Hilfe sich die Bedingungen für Wandel tiefergehend analysieren lassen. Dabei erweisen sich Krisenmomente als besonders geeignete Ausgangspunkte, da sie als exogene Schocks auf bestehenden Paradigmen einwirken und aufgrund neuer Sichtweisen zum politischen Handlungsgegenstand zu dessen Infragestellung führen können. Basierend auf empirischer Feldforschung, die vor und während der Pandemie in Berlin und Amsterdam durchgeführt wurden, lässt sich auf der einen Seite darstellen, wie bestimmte Krisenerfahrungen die Wahrnehmung des prä-pandemischen „Tourismusproblems“ verändert haben und (neue) Sichtweisen für einen Wandel hin zu einem nachhaltigen Tourismus fördern. Auf der anderen Seite zeigt sich jedoch auch, wie die beobachtbaren politischen Aktivitäten in beiden Städten auf eine Stabilisierung traditioneller Wachstumsstrategien und ein (weiterhin) vorherrschendes wirtschaftsdominiertes Politikparadigmas hindeuten. Auf Grundlage der Erkenntnisse werden abschließend die Potenziale und Grenzen der innovativen Politikansätze als transformative Konzepte kritisch diskutiert.