Langfristige Schrumpfung und Innovation: Pfade experimenteller Governance in schrumpfenden Städten
Abstract
Experimentieren im Rahmen urbaner Governance, sind in den letzten Jahren zu einem sehr attraktiven Trend geworden. Zunehmend komplexere Herausforderungen können als treibende Kräfte gesehen werden, die Art und Weise wie Städte heute geplant und gesteuert werden, neu zu bewerten sowie zu überdenken, welche Methoden zur Verbesserung der Zukunft in Städten beitragen können (Bulkeley u. Castan Broto, 2013; Bulkeley et al., 2019; Sengers et al., 2019).
Solche Experimente haben oft die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Bürger*innen, Wissenschaft und Privatsektor (van der Heijden, 2015) zum Thema. Schrumpfende Städte gelten als Nischen für innovative Ansätze und als Spielwiese für die Erprobung neuer Methoden, trotz ihrer negativen Konnotation. Die Zusammenführung der beiden Thematiken ist bisher ein relativ kleiner Bereich der Forschungsagenda gewesen, dabei wirkt sich die Schrumpfung stark auf die Ressourcen der Kommunalverwaltungen aus, die in solchen kritischen Momenten auf gesunde Beziehungen zu verschiedenen Akteur*innen angewiesen sind. Hospers (2014) betont sogar, dass es zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft zugunsten der Bürger*innen kommen sollte. Zusammenarbeit kann als Grundlage urbaner experimentellen Governance definiert werden. Die Art, wie Kommunalverwaltungen mit Bürger*innen kommunizieren und interagieren, wie zugänglich sie sind und wie entschlossen sie sind, Prozesse zu verändern, kann also ein entscheidender Faktor für einen Umgang mit Schrumpfung sein.
Diese Forschung untersucht die langfristigen Auswirkungen des Experimentierens mit Governance-Prozessen sowie die Faktoren, die das Entstehen und die Dauerhaftigkeit von Bürgerinitiativen behindern oder erleichtern. Die (ehemals) schrumpfenden Städte Heerlen (NL) und Halle/Saale (D) zeigen sehr interessante Verläufe und Auswirkungen von Governance-Veränderungen, die unter anderem als Ergebnis von überdurchschnittlicher Experimentierfreudigkeit der Stadtverwaltungen waren.
Im Fall von Halle/Saale können das Ignorieren der informellen und manchmal illegalen Praktiken von Bürgerinitiativen wie der Freiraumgalerie, aber auch das persönliche Interesse von Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung an der Zusammenarbeit mit dieser Gruppe wichtige Faktoren, die zur Etablierung und Institutionalisierung der Freiraumgalerie als wichtiger Akteur und Partner in der Stadtplanung und -forschung und damit zur langfristigen Veränderung von Governance-Prozessen führten. In Heerlen führte die Einführung eines unabhängigen “Brookers”, der den Kontakt zwischen Bürger*innen und der Stadtverwaltung erleichterte, zu einem großen Erfolg des Gebrookerbos-Projekts. Im Rahmen dieses Projekts wurden weitere Bemühungen unternommen, die Bürokratie zu vereinfachen, um die Distanz zwischen Bürger*innen und Stadtverwaltung zu verkleinern und damit die Erreichbarkeit städtischer Akteure zu verbessern.