Lebendigkeiten innerhalb von Nekropolitik: Der „Teufelskreis des Wohnens“ und seine Widerstände

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 11
Autor*innen
Toni Adscheid (Universität Trier)
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Vortrag widmet den Nekropolitiken, welche dem „Teufelskreis des Wohnens“ innerhalb Londons zu Grunde liegen. Untersucht werden die widerständigen Praktiken von Menschen in temporären Wohnverhältnissen, welche konstant ihre Flucht aus sowie ihr Überleben innerhalb des Teufelskreises planen.
Schlag­wörter
Wohnen, Leben, London, Nekropolitik, Widerstand

Abstract

Im Jahr 2020 verstarb der 2-jährige Awaab Ishak, acht Tage nach seinem zweiten Geburtstag, durch eine intensive Atemwegserkrankung. Diese Erkrankung war auf Awaabs intensive Dauerbelastung mit Schimmel, innerhalb einer sozial geförderten Wohnung nahe Manchester, zurückzuführen. Während Awaabs Tod von Vertreter*innen der britischen Regierung als tragischer Einzelfall eingestuft wurde, interpretiere ich seinen Tod als Resultat einer strukturellen Politik der Vernachlässigung. Diese Politik kann als eine Form der Nekropolitik verstanden werden, so meine Argumentation, die nicht nur Awaabs Leben frühzeitig beendete, sondern auch das (Über‑)Leben zehntausender Menschen in prekären Wohnsituationen in ganz Großbritannien bedroht. Ausgehend von meiner mehrjährigen ethnographisch-humangeographischen Forschung mit Menschen in temporären Wohnverhältnissen, erläutere ich diese Prozesse im Kontext von Ost-London. Hierbei stelle ich die Handlungslogiken staatlicher und privatwirtschaftlicher Akteure heraus, durch die Menschen in einem „Teufelskreises des Wohnens“ gefangen gehalten werden. Innerhalb dieses Teufelskreises wird durch Politiken der Vernachlässigung, (Über‑)Leben erschwert und Tod in Kauf genommen. In Anbetracht dieser geplanten Vernachlässigung, möchte ich Praktiken des (Über‑)Lebens in den Vordergrund rücken und hierbei die Frage eröffnen: Wie sichern Menschen in temporären Wohnsituation ihr (Über‑)Leben innerhalb und jenseits des „Teufelskreises des Wohnens“? Auf Grundlage meines Mitwirkens innerhalb der Wohnungsbewegung „Focus E15“, welche von Menschen in temporären Wohnsituationen in Ost-London gegründet wurde, stelle ich jene Praktiken heraus, welche es Menschen ermöglicht sowohl im „Teufelskreis des Wohnens“ zu Überleben als auch Möglichkeiten für ein Leben jenseits ihrer Gefangenschaft offen zu halten. Abweichend von einer Betrachtung die Menschen in temporären Wohnsituationen als passive Adressaten von Nekropolitiken versteht, skizziert mein Vortrag diese Menschen als Planer*innen welche andauernd innerhalb von nekropolitischen Handlungslogiken ihre Flucht erproben und somit auf die lebendigen Widerstände innerhalb von Nekropolitiken verweisen.