Lebensraum „Mondlandschaft": Eindämmung, Erhaltung und Vertreibung von Wildtieren im Tagebau

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 10
Autor*innen
Mareike Pampus (MLU Halle-Wittenberg)
Kurz­be­schreib­ung
Mein Vortrag baut auf Erkenntnissen aus mehr-als-menschlichen Geographien und Studien zu multiplen Temporalitäten auf, um Landschaftsgrenzpraktiken von Tagebauen in Ostdeutschland zu untersuchen. Empirisch liefert die Praxis des Zählens, Eingrenzens, Bewahrens und Vergrämens bestimmter Arten und Lebensräume Einblicke, wie verflochtene Zeitlichkeiten und mehr-als-menschliche Verflechtungen gleichzeitig menschliche Praktiken prägen und von ihnen geprägt werden.
Schlag­wörter
mehr-als-menschliche Geographien, Tiergeographien, Temporalitäten, Ethnographie, Bergbau

Abstract

Während sich in Europa immer deutlichere Verluste von Biodiversität abzeichnen, haben sich in den großen Tagebaulandschaften Ostdeutschlands Rückzugsgebiete für Flora und Fauna entwickelt. Die aktiven Bergbaugebiete und Bergbaufolgelandschaften sind durch einen Mangel an Nährstoffen im Boden und durch eine hohe Strukturvielfalt gekennzeichnet. Sie bieten damit einen wichtigen Lebensraum für eine Reihe seltener und hochspezialisierter Arten und haben somit das Interesse des Naturschutzes geweckt. Die nährstoffarmen, spärlich bewachsenen Sand- und Kiesflächen des Tagebaus ähneln früheren Strukturen in Flusslandschaften, Heideflächen oder auf Magerrasen. Als Extremstandorte beherbergen sie an sandige Offenlandschaften angepasste Arten, von denen die meisten heute vom Aussterben bedroht sind. Mein Vortrag baut auf Erkenntnissen aus mehr-als-menschlichen Geographien und Studien zu multiplen Temporalitäten auf, um Landschaftsgrenzpraktiken von Tagebauen in Ostdeutschland zu untersuchen. Empirisch liefert die Praxis des Zählens, Eingrenzens, Bewahrens und Vergrämens bestimmter Arten und Lebensräume Einblicke, wie verflochtene Zeitlichkeiten und mehr-als-menschliche Verflechtungen gleichzeitig menschliche Praktiken prägen und von ihnen geprägt werden. Die Verwendung zeitlicher Perspektiven hebt nicht nur die ökosoziale Bedeutung von Tagebauen hervor, sondern auch die Art und Weise, wie sich „verwilderte Ausbreitungen“ (Tsing et. al. 2019 „feral proliferations“) und menschliche Anstrengungen durch unterschiedliche Zeitlichkeiten gegenseitig bedingen.

Reference

Tsing, Anna Lowenhaupt, Andrew S. Mathews, und Nils Bubandt. „Patchy Anthropocene: Landscape Structure, Multispecies History, and the Retooling of Anthropology: An Introduction to Supplement 20“. Current Anthropology 60, Nr. S20 (1. August 2019): S186–97. https://doi.org/10.1086/703391.