Lehren aus der Krise: Zur Resilienz grenzüberschreitender Kooperation im Verflechtungsraum SaarLorLux
Abstract
Wir leben in Zeiten multipler und vieldimensionierter Krisen. Angesichts ihrer Häufung sind diese als neue ‚Normalität‘ zu interpretieren. Ein Beispiel einer rezenten Herausforderung stellt die Covid-19-Pandemie dar, mit der als gegeben geglaubte Gewissheiten erodierten. Dass u.a. Politiker:innen im Schengen-Raum der unsicheren und unvorhersehbaren Situation mit der Reglementierung von Nationalstaatsgrenzen begegneten, stellte Errungenschaften der europäischen Integration zeitweise infrage. Die Auswirkungen der eingeführten Grenzkontrollen und teilweisen Schließungen von Grenzübergangsstellen, bspw. in der deutsch-französisch-luxemburgischen Grenzregion, wurden besonders für jene Bürger:innen sicht- und erlebbar, die – wie rund ein Drittel der EU-Bevölkerung – in Grenzregionen leben. In der sog. Großregion mit ihrem ‚Kerngebiet‘ SaarLorLux ist das politische, wirtschaftliche und soziale Leben maßgeblich von grenzüberschreitenden Praktiken geprägt, womit das nationale Krisenmanagement gerade auf der lokalen Ebene eine einschneidende Wirkung auf den gelebten Alltag entfaltete. Die Covid-19-Pandemie wirkte so zunächst als Schock und Zäsur, die formelle und informelle Praktiken des grenzüberschreitenden Austauschs über politisch-administrative Ebenen hinweg hemmte und die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit in der Region erschwerte. Die Pandemie verdeutlichte entsprechend, dass die grenzüberschreitende Kooperation nur bedingt krisenfest ist. Erste Lehren wurden gezogen, die in Versprechen verschiedener Entscheidungsträger:innen mündeten, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit stärker forcieren und diese resilienter gestalten zu wollen. ,Resilienz‘ konnte sich damit auch in diesem Kontext zu einem politisch und gesellschaftlich verankerten Schlagwort etablieren – sozusagen als ‚Schlüssel‘ für ein (erfolgreiches) Agieren in unsicheren Zeiten.
Das Ziel meines Vortrags besteht vor dem skizzierten Hintergrund darin, grenzüberschreitende Handlungsstrategien im Lichte der Covid-19-Krise konzeptuell und empirisch einzuordnen. Den theoretischen Hintergrund bildet eine Verschneidung eines konstruktivistischen Resilienz-Verständnisses mit rezenten Perspektiven der Border Studies zugunsten eines dynamischen Grenz(ziehungs)verständnisses. Die empirische Illustration basiert auf der Analyse von Beistandsbekundungen, Roadmaps, Konzepten und Strategien, die seit Beginn der Krise erschienen sind, sowie Interviews mit politischen Entscheidungsträger:innen von nationaler bis lokaler Ebene. Unter Berücksichtigung der grenzüberschreitenden Mehrebenen-Governance, in die Kooperationen im Verflechtungsraum SaarLorLux eingebettet sind, werden zentrale Strukturen und Akteure aufgespürt und systematisiert, die sich als relevante Faktoren für eine resiliente(re) grenzüberschreitende Kooperation bündeln lassen und so Entscheidungen unter Unsicherheitsvorzeichen anleiten (können).