Luftreiniger und Luftwebstühle: Zur Phänomenologie von ‘psycho-machines’

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 3.104
Autor*innen
Maximilian Gregor Hepach (Universität Potsdam)
Kurz­be­schreib­ung
Anhand des Beispiels von Luftreinigern und ihrer Vermarktung weise ich auf, wie wir mit der Luft affektiv und biochemisch verflochten sind. Hierzu bediene ich mich Ansätzen aus der Phänomenologie, die in der Humangeographie bisher keine Anwendung gefunden haben.

Abstract

Luft ist, phänomenologisch gesprochen, ungegenständlich. Die Luft kann zwar in verschiedenen Intensitätsgraden erfahren werden–als stickige Raumluft oder gar als gesundheitliche Bedrohung im Zuge einer Pandemie und bei besonders erhöhter städtischer Luftverschmutzung–, aber sie tritt uns nie als Gegenstand gegenüber. Diese Ungegenständlichkeit der Luft geht mit der Tatsache ihrer Unausweichlichkeit einher: Wir können zwar für ‘bessere Luft’ sorgen, aber keine Luft ist niemals, zumindest für obligate Aerobier wie uns Menschen.

In der anglophonen Humangeographie taucht die Luft in Zusammenhang mit anderen verwandten Phänomenen auf; beispielhaft im atmospheric und elemental turn. Betrachtet man jene Debattenbeiträge mit Augenmerk auf das Problem der Ungegenständlichkeit wird plausibel, weshalb Derek McCormack in seinem 2018 erschienen Buch Atmospheric things dazu aufruft, eine ‘media geography’ zu begründen. Der Begriff ‘Medium’ verspricht einzulösen, was dem Begriff ‘Gegenstand’ versagt bleibt: die Erklärung der Erscheinungsweise der Luft.

In meinem Vortrag zeige ich, dass die Erscheinungsweise der Luft kein Problem ist, welches sich allein verkopften Humangeograph:innen stellt. Im Zuge der Pandemie wurde die Luft zu einem ‘matter of concern’, und die Frage ihrer Erscheinungs- und Darstellungsweise damit zu einem handfesten Problem.

Schon vor der Pandemie stellte die Erscheinungsweise, oder Sichtbarmachung, der Luft einen ganzen Industriezweig, nämlich die Hersteller von Luftreinigern, vor eine Herausforderung: Um gereinigte Luft vermarktbar zu machen, muss diese erst im Bewusstsein der potentiellen Käufer:innen zum Problem, also wahrnehmbar, gemacht werden. Durch die Analyse von Werbematerial mache ich deutlich, wie die Erscheinungsweise der Luft auf unterschiedliche Weise durchdekliniert wird.

Die Luft wird, kurz gesagt, erfahrbar, indem man sie durch die ‘Augen’ des Luftreinigers sieht. Luftreiniger fungieren hier als phänomenologische Instrumente, welche ausloten, wie Luft biochemisch und affektiv ge- und entsättigt werden kann; wie wir mit der Luft verflochten sind. In verschiedenen Werbefilmen spielt der Luftreiniger zugleich die Rolle eines Gegenstandes und eines Leibes, durch den die Luft als Medium erschlossen und in gewisser Weise für uns erfahrbar wird.

Um die psychophysische Funktionsweise von Luftreinigern zu deuten, bediene ich mich phänomenologischer Ansätze. Zunächst wende ich mich der Arbeit von Edmund Husserl zu: Selbst der Begründer der Phänomenologie hatte damit zu kämpfen, die Ungegenständlichkeit der Luft einzugestehen. Erfolgversprechendere Erklärungsmodelle finde ich in den Arbeiten von Günter Figal zur Phänomenologie des Raumes und in Thomas Fuchs’ Phänomenologie der Beeinflussungsmaschinen. Während Figal mit seiner Theorie der Unscheinbarkeit die Erscheinungsweise der Luft als Medium erhellt, verdeutlicht Fuchs mit seiner Analyse schizophrener Wahnvorstellungen die Funktionsweise des Luftreinigers als Gegenstand.