Machtkritik einfach machen: Geographie lehren und lernen mit Themenzentrierter Interaktion (TZI)

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 11
Autor*innen
Stefan Padberg (Bergische Universität Wuppertal)
Kurz­be­schreib­ung
Machtkritik ist dem Konzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI) in die DNA geschrieben. Ruth Cohn fragte sich lange Zeit, was ihr Anteil daran sein könne, "dass Auschwitz nicht noch einmal sei." Sie beobachte und protokollierte ihre Praxis der Arbeit mit Gruppen an verschiedenen Universitäten und auch als freie Beraterin in unterschiedlichen Kontexten (NGOs, Unternehmen usw.). Daraus wurde nach und das Konzept der TZI, das ich in der Lehre der Geographie anwende.

Abstract

Machtkritik ist dem Konzept der Themenzentrierten Interaktion (TZI) in die DNA geschrieben. Ruth C. Cohn, die Begründerin dieses Ansatzes der humanistischen Pädagogik erfuhr als Junge Erwachsene das Entstehen der Nationalsozialistischen Diktatur in Berlin. Sie floh als Studentin in die Schweiz und später in die USA. Da ihr Aufenthaltsstatus als Geflüchtete in der Schweiz an ihrem Studium hing, erwarb Ruth Cohn umfassende Kenntnis vieler Fachbereiche. Zusätzlich absolvierte sie die noch sehr junge Ausbildung in Psychoanalyse.

In den USA begegnete sie vielen anderen aus Europa Geflohenen und gehörte zu verschiedenen Zirkeln von Menschen, die humanistischen Ansätze in Psychologie und Pädagogik weiter entwickelten. Ruth Cohn fragte sich lange Zeit, was ihr Anteil daran sein könne, “dass Auschwitz nicht noch einmal sei.” Sie beobachte und protokollierte ihre Praxis der Arbeit mit Gruppen an verschiedenen Universitäten und auch als freie Beraterin in unterschiedlichen Kontexten (NGOs, Unternehmen usw.). Daraus wurde nach und das Konzept der TZI.

Es verbindet axiomatische Grundsätze und methodisches Handwerkszeug auf sehr dichte Weise. Auf die Vermassung und Ent-Individualisierung sowie auf den Führerkult (=die asbolute Macht) des Nationalsozialismus antwortet die TZI mit der axiomatischen und methodischen Stärkung der Selbstleitung im Chairpersonpostulat. Damit vor diesem Hintergrund in Gruppen an Inhalten gearbeitet werden kann, steht dieser Betonung des Individuums gleichermaßen die Stärkung der Arbeitsfähigkeit als Gruppe wie der detaillierte Blick auf die zu bearbeitenden Inhalte (oder Aufgaben) gleichrangig zur Seite. Im Vier-Faktoren-Modell der TZI, das bewusst so formuliert ist, dass es auch für bildungsungewohnte Personen zugänglich sein möge, spricht Cohn vom ICH, vom WIR und vom ES. Als vierter und gleichermaßen wichtiger Faktor benennt sie den GLOBE. Damit sind die räumlichem, zeitlichen, politischen, juristischen usw. Bedingungen gemeint, die einen Einfluss auf das Gruppengeschehen haben und auf die umgekehrt auch das Gruppengeschehen einen Einfluss hat.

Seit 2004 arbeite ich mit TZI in der Didaktik der Geographie und des Sachunterrichts wie auch in fachwissenschaftlichen Veranstaltungen. Auf dieser Basis kann es gelingen, möglichst weit auf Augenhöhe zu den Studierenden zu gehen und auch Macht als Kategorie in der Hochschule wie auch als wichtigen Untersuchungsgegenstand geographischer wie geographiedidaktischer Forschung zu fokussieren.