Make Amazon Pay: Reflektionen über die Handlungsmöglichkeiten von Gewerkschaften in einem transnationalen Distributionsnetzwerk

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 3.101
Autor*innen
Kurz­be­schreib­ung
Amazon hat in den letzten Jahren ein dichtes, transnationales Logistiknetzwerk aufgebaut, um eine beschleunigte Warenauslieferung zu ermöglichen. Hierdurch entsteht aber auch ein neuer Handlungsraum für Gewerkschaften, den ich anhand der Praxis von existierenden Vernetzungen abstecken will.

Abstract

Im heutigen „Distributivkraftkapitalismus“ (Pfeiffer 2022) gewinnen die Distributivkräfte innerhalb der Kapitalstrategien von Unternehmen an Bedeutung. Distributivkräften sind nach Pfeiffer die Mittel, die dafür eingesetzt werden, um die Distribution von Waren kapitaleffizienter zu gestalten. (ebd.) Wie kaum ein anderer Konzern investierte Amazon in den letzten Jahrzehnten in den Aufbau seiner logistischen Infrastruktur. Hierdurch einstand ein dichtes Netz an Warenlagern. Dieses ermöglicht dem Konzern eine beschleunigte Warenauslieferung an die Endkonsumt*innen. (Moody 2021) Hierbei kommt Amazon zugute, dass weltweit Kommunen logistischen Infrastrukturen wie Autobahnanschlüsse zur Verfügung stellen, um die Ansiedlung von Logistikunternehmen zu fördern (Danyluk 2018)

Das Netzwerk Amazons ist so gerade in Europa stark transnationalisiert. So erhalten deutsche Kund*innen Waren auch aus west- und osteuropäischen Warenlagern. Durch diese Konzernstrategie, die auf den Ausbau transnationaler logistischer Infrastrukturen beruht, wird aber auch ein transnationalen Handlungsraum für Gewerkschaften und Arbeiter*innen geschaffen, wobei die Macht dieser Akteure auf lokale Ebene durch das dichte Netz an Amazon-Standorten geschwächt wurde. (Vgontzas 2021) Einzelne „choke points“ (Alimahomed-Wilson & Ness 2018), die einst eine Quelle von Macht der Logistikarbeiter*innen waren, verlieren in dieser Netzwerkstruktur an Bedeutung. Zwar werden die Kämpfe bei Amazon derzeit primär auf lokaler und nationalstaatlicher Ebene geführt, es existieren aber mit Uni Global und Amazon Workers International zwei transnationale Vernetzungen von Gewerkschaftsaktiven, die in dem transnationalen Handlungsraum agieren. Während erstere sich eher an Hauptamtliche richtet, richtet sich letztere direkter an die Warenlagern-Arbeiter*innen. (1) Wie Amazon diesen neuen Handlungsraum schafft, (2) mit welchen Strategien gewerkschaftliche Akteure in diesem agieren, um Beschäftigteninteressen durchzusetzen und (3) was dabei Hindernisse sind, möchte ich in meinem Beitrag ergründen. Damit will ich die Erforschung von Strategien für die transnationale Gewerkschaftsarbeit unterstützen.

Richtungsweisend sind dabei für mich die Überlegungen der Labour Geography. Herold analysiert, dass in transnationalen Produktionsnetzwerken nicht nur Spatial Fixes (Silver 2003, Harvey 1982/2018) des Kapitals existieren, sondern auch Spatial Fixes der Arbeiterklasse, über welche diese ihre Interessen durchsetzen und die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in diesen beeinflussen kann. Diese haben in der Geschichte der Arbeiterbewegung immer eine wichtige Rolle gespielt (Herold 1997), spannend ist die Frage welche Rolle sie heute für Gewerkschaften spielen. Methodisch werde ich in meinem Beitrag neben der Auswertung von Dokumenten und Experteninterviews mit Gewerkschaftsaktiven aus den transnationalen Vernetzungen, auf mein eigenes Wissen als langjähriger Aktivist in der transnationalen Vernetzung zurückgreifen.