„Man hätte es doch wissen können, – oder?“ : Eine interdisziplinäre Analyse der Risiko- und Katastrophengovernance der Starkregenereignisse im Juli 2021

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 3.101
Autor*innen
Daniel F. Lorenz (FU Berlin)
Jens Reinert (RWTH Aachen)
Martha Wingen (RWTH Aachen)
Elena-Maria Klopries (RWTH Aachen)
Cordula Dittmer (FU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag erörtert wie compounding events – hier verstanden als Überlappung verschiedener Wetterextreme (insb. Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser) mit organisatorisch-administrativen Schwachstellen in der konkreten Katastrophengovernance – kaskadierende Effekte zur Folge hatten, die die Bewältigung der Starkregenlage 2021 massiv erschwerten.
Schlag­wörter
Starkregenereignis Juli 2021, Katastrophen- und Risikogovernance, Warnung, Katastrophe, Naturgefahren

Abstract

In Westeuropa kam es vom 13.-15. Juli 2021 in Folge des Tiefs „Bernd“ zu extremen Starkregenereignissen mit anschließenden Hochwassern und Sturzfluten. Neben Deutschland waren Belgien, die Niederlande, Frankreich und Luxemburg betroffen. In Deutschland waren neben den Bundesländern Rheinland-Pfalz (RLP) und Nordrhein-Westfalen (NRW) auch Bayern und Sachsen in Mitleidenschaft gezogen. In RLP starben 135 Menschen, 134 davon im Ahrtal. In NRW verloren 49 Menschen ihr Leben. Die volkswirtschaftlichen Gesamtschäden werden auf ca. 30-40 Mrd. € geschätzt; die Versicherungen gehen von versicherten Schäden von ca. 8,2 Mrd. € aus. Vielfach werden Schäden erst nach Monaten sichtbar, so dass die Summen auch noch deutlich darüber liegen können.

Aus meteorologischer und hydrologischer Sicht gibt es mittlerweile übereinstimmende Analysen, die zeigen, dass mehrere, sich überlagernde Faktoren zu diesem extremen Wetterereignis mit anschließendem Hochwasser und Sturzfluten geführt haben. Die Frage, die weiterhin die Öffentlichkeit sowie verschiedene parlamentarische Untersuchungsausschüsse beschäftigt, ist, ob mit einer früheren Warnung und einer darauffolgenden Evakuierung nicht eine Vielzahl an Menschenleben hätte gerettet werden können. Etwas abseits der Öffentlichkeit finden intensive Diskussionen darüber statt, an welchen Stellen der Zivil- und Katastrophenschutz hier konkret versagt habe und wo es eine grundsätzliche Neubestimmung bräuchte.

Im Rahmen des BMBF-Sondervorhabens „HoWas2021 - Governance und Kommunikation im Krisenfall des Hochwasserereignisses im Juli 2021“ (Laufzeit 2021-2023) werden in einem interdisziplinären Verbund Schwachstellen, die in der Warnkommunikation sowie in der Bewältigung der Lage durch Akteure des Katastrophenschutzes auftraten, analysiert.

Der Beitrag erörtert anhand erster Ergebnisse in interdisziplinärer Kooperation zwischen der Meteorologie, der Hydrologie, der Wasserwirtschaft und der Katastrophensoziologie die aus geographischer Perspektive aufgeworfene Frage, wie compounding events – hier verstanden als Überlappung verschiedener Wetterextreme (insb. Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser) mit organisatorisch-administrativen Schwachstellen in der konkreten Katastrophengovernance – kaskadierende Effekte zur Folge hatten, die die Bewältigung der Lage massiv erschwerten.

Durch eine Kombination von meteorologischen, hydrologischen, wasserwirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Daten können sowohl Aussagen zu sich überlagernden und wechselwirkenden Gefahren getroffen als auch die daraus resultierende Bedeutung für die Risiko- und Katastrophengovernance gezeigt werden.