Mensch-Natur Resonanz: Ein relationales Konzept zur Überwindung stummer Mensch-Natur-Beziehungen in Zeiten sozial-ökologischer Krisen?

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 10
Autor*innen
Martina Artmann (IÖR)
Kurz­be­schreib­ung
Für einen tiefen inneren und äußeren Wandel Richtung Nachhaltigkeit müssen wir stumme Mensch-Natur-Beziehungen überwinden. Das Konzept der Mensch-Natur-Resonanz liefert dazu integratives System-, Ziel-, und Handlungsweisen, wie dies gelingen kann.
Schlag­wörter
Mensch-Natur-Beziehungen, Sozial-ökologische Transformation, innerer-äußerer Wandel, Urbane Nachhaltigkeitstransformationen

Abstract

Trotz unseres Wissens, dass wir rasch handeln müssen, um die negativen Auswirkungen der sich stetig intensivierenden sozial-ökologischen Krisen einzudämmen, scheint es, dass wir noch weit weg von einem tiefen Wandel Richtung Nachhaltigkeit sind.

Eine weitverbreitete Annahme, warum der dringend nötige gesellschaftliche Wandel Richtung Nachhaltigkeit ausbleibt, kann in der Entfremdung des Menschen von der außermenschlichen Natur gesehen werden. Aber wie kann ein positiver Gegenentwurf dieser Beziehungskrise in unserer westlichen Lebenswelt aussehen? In Zeiten der zunehmenden Beschleunigung und der damit einhergehenden verstummenden Beziehung des Menschen mit der Welt schlägt der Soziologe Hartmut Rosa Resonanz als positiven Gegenbegriff zur Entfremdung vor. In unserer Leibniz-Junior Research Group URBNANCE (Urbane Mensch-Natur Resonanz für eine Nachhaltigkeitstransformation) übersetzen wir seine Resonanz-Theorie für die Nachhaltigkeitswissenschaften und erproben sie im städtischen Kontext. Dazu erforschen wir die Rollen von urbaner Mensch-Natur-Resonanz für die Stadtbevölkerung, Stadtplanung sowie im Kontext von Mensch-Lebensmittel-Beziehungen.

In diesem Beitrag für den DKG ’23 stelle ich die konzeptionellen Grundlagen unserer Arbeiten vor und wie wir durch die Idee der Mensch-Natur-Resonanz besser verstehen können, warum es an wirkungsvollen Maßnahmen zur Realisierung eines nachhaltigen Wandels fehlt (Systemwissen), welche Vision es für diesen Wandel braucht (Zielwissen) und wie wir diese Vision umsetzen können (Handlungswissen). Im Kontext der Nachhaltigkeit bedeutet Mensch-Natur Resonanz, dass uns die negativen Auswirkungen der sozial-ökologischen Krisen in unserer westlichen Lebenswelt im Außen und/oder im Inneren berühren und wir darauf entsprechend antworten und unsere ausbeuterische Beziehung zur Natur transformieren. Um von der zunehmenden Naturauszerstörung berührt zu werden, müssen wir als Gesellschaft jedoch die Grenzen ihrer materiellen und moralischen Verfügbarkeit respektieren. So ist eine Beziehung im Sinne der Resonanz nur möglich, wenn beide der in Beziehung stehenden Entitäten mit eigener Stimme sprechen können. Die anthropozentrische Naturausbeutung und -dominanz, welche durch die zunehmende Abholzung des Regenwaldes oder die Ausbeutung von Nutztieren sichtbar wird, lassen die Stimme der Natur jedoch verstummen. Um Natur wieder eine Stimme zu geben und Mensch-Natur Resonanz zu fördern, schlagen wir die positive Vision von Mensch-Natur-Partnerschaften vor, auf welcher sich Mensch und Natur auf Augenhöhe begegnen. In dieser Vision stehen Werte wie Mitgefühl und Fürsorge im Mittelpunkt und Natur wird als lebendige Rechtsperson mit Eigenwert anerkannt. Wenn wir diese Werte verinnerlichen und Natur als Partnerin anerkennen, dann empfinden wir nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsstile wie eine Reduktion von Flugreisen oder des Fleischkonsums nicht mehr als Verzicht, sondern als Teil eines guten Lebens.