Moose und Menschen in Koexistenz: Technologische Mediationen, evidenzbasierte Kalkulationen und diskursive Verhandlungen urbaner Luftqualität
Abstract
Lebewesen und Technologien verändern permanent die chemische Zusammensetzung und den chemischen Zustand von Luft. So ernähren sich Moose als gefäßlose Pflanzen aus der Luft, indem sie über ihre Oberfläche Wasser und Nährstoffe wie Ammoniak und Stickstoff, sowie Feinstaub und Schwermetalle aufnehmen und verstoffwechseln. Über den Reinigungseffekt hinaus kühlen Moose die Luft durch ihre hohe Wasserspeicherkapazität. Da gerade urbane Luft anthropogen immens beeinflusst ist, werden die respiratorischen Effekte der Bryophyten zunehmend in der Entwicklung von Strategien zur Kühlung und Reinigung von Luft berücksichtigt. Filteranlagen werden damit beworben, dass sie, durch ihre Kombination von Moos und Technologie, Stadtluft um ein Vielfaches effizienter reinigen und kühlen als Bäume dies können. Moose, auch als Superhelden bezeichnet, fungieren demnach in diesen technologischen Arrangements als urbaner Dienstleister. Die genaue Messbarkeit – und der Vergleich zu anderen natürlichen und technologischen Filtern – ist vor allem wichtig für die Vermarktung der Produkte. Über Biomonitoring und Phytosensorik lässt sich zwar die Anzahl und Art der absorbierten Stoffe nachweisen, jedoch ist das Modellieren, Kalkulieren und Herstellen von Evidenz wissenschaftlich und politisch umkämpft.