Nachhaltige Foodprojekte in Zürich: Ethnografische Einblicke in drei Pionierprojekte

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 1.109
Autor*innen
Laila Gutknecht (Universität Zürich)
Kurz­be­schreib­ung
In diesem Vortrag werden drei Projekte vorgestellt, die sich für ein nachhaltigeres und lokaleres Ernährungssystem in Zürich einsetzen. Ein Start-up-Projekt verteilt regional produzierte Lebensmittel in Holzcontainern in Stadt-Quartieren, eine B2B-Direktvermarktungsplattform ermöglicht den Verkauf von qualitativ hochwertigen Produkten direkt vom Produzenten an Restaurants und Detailhändler und ein B2C-Lieferdienst bietet lokale Hofprodukte an. Eines der Projekte ist bereits erfolgreich, eines noch in Planung und eines ist gescheitert. Der Vortrag zeigt ethnografische Einsichten in die jeweiligen Projekte und die dahinterliegenden Wertesysteme.

Abstract

In Zürich gibt es viele diverse Initiativen und Ideen, die sich für ein gerechteres, nachhaltigeres Ernährungssystem einsetzen. In Hinblick auf diverse abgelehnte politische Initiativen der letzten Jahre, scheint gesamtpolitisch die Meinung vorherrschend zu sein, die Verantwortung liege bei den Konsument:innen. Doch auch mit den besten Absichten ist es für diese schwer, sich im Dschungel von Wertesystemen zurechtzufinden. Es bedarf einer intensiven Beschäftigung mit den jeweiligen Konzepten oder Labels, einer kontinuierlichen und somit zeitaufwändigen Wissensaneignung und schliesslich einem stetigen Abwägen und Gegeneinander Ausspielen dieser Werte. Dass Konsument:innen einen Teil dieser Verantwortung abgeben und einem System vertrauen können, das ist die Idee der drei Projekte, die in diesem Vortrag vorgestellt werden. Alle drei sehen sich als Ideen für ein lokaleres und nachhaltigeres Foodsystem in Stadt Zürich und Umgebung: Eines davon ist erfolgreich, eines noch in Planung, und eines bereits gescheitert.

Rüedu „Dein Hofladen im Quartier“ ist ein Start-up-Projekt aus Bern, das 2020 gestartet ist. Dabei werden regional produzierte Lebensmittel in Holzcontainer gebracht, die in den Stadt-Quartieren verteilt sind. Kund:innen haben rund um die Uhr Zugang und bezahlen im Selbstbedienungssystem. Die Waren werden „fair, nachhaltig und partnerschaftliche“ gehandelt. 2021 expandierte Rüedu nach Zürich, wo nun stetig neue Container eröffnet werden.

Lightwave ist das Projekt, das noch in Entwicklung ist. Sie nennen sich selbst eine „Direktvermarktungsplattform für regionale und qualitative Lebensmittel“ und sind Teil der Koopernikus Gesellschaft. Lightwave konzentriert sich auf B2B und wird dabei auch vom Biogrosshändler Pico unterstützt.

Wir kaufen hier! (Limmatstadt) war ein B2C-Lieferdienst, der regionale Hofprodukte von Produzent:innen (ohne Abosystem) direkt nach Hause geliefert hat. Das Limmatthal war die Pilotregion, welche dann auf die Stadt Zürich ausgeweitet wurde. Nach anderthalb Jahren Laufzeit mussten die Gründer einsehen, dass sich die Nachfrage nicht wie erwartet entwickelte und gaben das Projekt auf.

Alle Projekte verfolgen ein ähnliches Ziel: eine engere Verbindung zwischen Konsument:innen und Produzent:innen herzustellen, um die Transparenz der Lieferkette zu erhöhen und die Wertschöpfungskette in der Region zu behalten. Der Vergleich der Projekte zeigt auf, welche Herausforderungen sich in der Schweiz bei der Umsetzung einer solchen Idee auftun: von der Finanzierung, zur Logistik bis hin zur Bekanntmachung und Kundengewinnung. Als Kulturwissenschaftlerin interessiere ich mich insbesondere auch für das Auftreten und die dahinterliegenden Wertesysteme der Projekte. Der Vortrag stützt sich auf ethnografisches Material aus meinem 2021 begonnen Dissertationsvorhaben zum Thema „Lokale Nahrungskulturen in urbanen Räumen“ am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft.