„Nachhaltige“ Megaprojekte und räumliche Ungerechtigkeiten: Eine qualitative Erforschung der Stakeholderperspektive in Santa Cruz de Tenerife (Spanien)
Abstract
Welchen Einfluss haben als „nachhaltig“ beworbene innerstädtische Megaprojekte auf Wohnungsmarktungleichheiten? Der geplante Vortrag nähert sich dieser Frage anhand einer Fallstudie zum Großvorhaben Santa Cruz Verde 2030 auf Teneriffa. Das Megaprojekt umfasst die Transformation einer innerstädtisch gelegenen Erdölraffinerie in ein nutzungsgemischtes Wohnquartier in Santa Cruz de Tenerife. Die Projektverantwortlichen stellen das Vorhaben mit einer Größe von 80 Fußballfeldern als besonders nachhaltig dar. So steht es nicht nur sinnbildlich für den Übergang zur Post-fossilen Stadt. Fast 40 % der Fläche sollen zudem für grüne und blaue Infrastrukturen vorbehalten werden und die Baukörper unter Einbezug neuster nachhaltiger Bauweisen entstehen. Die Erfahrungen mit anderen vergleichbaren Projekten weltweit zeigt jedoch, dass neben den möglichen positiven Effekten auch negativ-gelesene trade-offs in Kauf genommen werden, allen voran Umweltungerechtigkeiten und Green Gentrification.
Der vorliegende Beitrag erforscht anhand der Fallstudie Santa Cruz, wie lokale (primäre und sekundäre) Stakeholder im Aushandlungsprozess um Santa Cruz Verde 2030 das Spannungsfeld zwischen Megaprojekt, Stadt und Nachhaltigkeit wahrnehmen. Hierfür führte ich 18 qualitative Interviews mit Projektverantwortlichen, Vertreter*innen des Immobilienmarktes und aller Parteien im Stadtparlament, Nachbarschaftsvereinigungen, Umweltverbänden, der Lokalpresse und lokalen Stadtforscher*innen.
Auf Basis des Materials ziehe ich drei zentrale Schlussfolgerungen. Erstens lege ich dar, wie nur wenige Stakeholder einen direkten Zusammenhang zwischen dem Megaprojekt und den zu erwartenden Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen oder den potenziellen Umweltungerechtigkeiten im Umfeld herstellen. Stattdessen wird die zu erwartende Spekulation mit den geplanten Wohnimmobilien von mehreren Stakeholdern als unvermeidbare Realität angesehen.
Zweitens identifiziere ich in der öffentlichen Diskussion über das Megaprojekt einen deutlichen Fokus auf das „Wie“ (im Sinne von Planungs- und Beteiligungsprozessen) und technische bzw. prozedurale Detailfragen zum Megaprojekt. Die tatsächlichen inhaltlichen Vorschläge der Projektverantwortlichen rücken in den Hintergrund und bleiben dem gegenüber eher unreflektiert.
Drittens zeige ich, wie die Stakeholder zwar in denen für sie relevanten Bereichen von bereits durchgeführten lokalen Megaprojekten lernen (worst-practice). Die von den Projektverantwortlichen sehr markant beworbenen Themen der Nachhaltigkeit und die vermeintlichen Vorzüge von Santa Cruz Verde 2030 (Grünflächen, urbaner Strand, etc.) überstrahlen jedoch mögliche Zweifel. Zudem erschweren die uneinheitlichen Interessen zwischen den verschiedenen Gruppierungen die kollektive Willensbildung.
Auf dieser Basis soll der Beitrag die komplexen Verschneidungen von Nachhaltigkeit und (räumlicher) Ungerechtigkeit aufzeigen – und daraus Handlungsansätze ableiten.