Partizipativer Stakeholderprozess zur Erarbeitung landnutzungserweiterter, sozioökonomischer Entwicklungspfade für die Potenzialanalyse landbasierter CO2-Entnahmemaßnahmen

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 14
Autor*innen
Felix Gulde (LMU München)
Maximilian Witting (LMU München)
Kurz­be­schreib­ung
In einem partizipativen Stakeholderprozess werden landnutzungserweiterte, sozioökonomische Entwicklungspfade für Deutschland entwickelt und angewendet. Somit können die Potenziale landbasierter CO2-Entnahmemaßnahmen erstmalig ganzheitlich und interdisziplinär erfasst und bewertet werden.

Abstract

Im Pariser Abkommen von 2015 haben sich die UN-Mitgliedstaaten auf ambitionierte Klimaziele geeinigt. Zahlreiche Länder, darunter Deutschland, veröffentlichten in der Folge national festgelegte Beiträge (NDCs), oftmals mit Netto-Null-Emissionszielen (z.B. UNFCCC, 2020). Sofortige und rapide Emissionsminderungen sind entscheidend, um diese Ziele zu erreichen (z.B. IPCC, 2022). Nach Angaben des IPCC (IPCC, 2022) ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass schwer vermeidbare Restemissionen bis Ende des Jahrhunderts bestehen bleiben, wodurch der Einsatz von Maßnahmen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal - CDR) zur Erreichung gesteckter Klimaziele unumgänglich ist. Die Potenziale dieser Maßnahmen müssen jedoch sorgfältig in Bezug auf mögliche Nebeneffekte und Flächenverfügbarkeiten (z.B. Biodiversität, Landnutzungskonkurrenzen) abgewogen werden (z.B. Smith et al., 2023). Der Schwerpunkt vieler wissenschaftlicher Untersuchungen konzentriert sich bislang auf biophysikalische CDR-Potenziale dieser Maßnahmen (z.B. Brown et al., 2019), während das Verständnis für deren Potenzial in verschiedenen sozioökonomischen Kontexten fehlt (z.B. Fajardy et al., 2019).

Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt STEPSEC geht über diese naturwissenschaftliche Perspektive hinaus, indem landbasierte CDR-Potenziale erstmals ganzheitlich und interdisziplinär untersucht werden. Die Berücksichtigung sozioökonomischer und ethischer Randbedingungen (z.B. gesellschaftliche Akzeptanz, Verteilungsgerechtigkeit) nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein. Basierend auf drei partizipativen Stakeholder Workshops werden sozioökonomische Entwicklungspfade (SSPs) auf nationaler Ebene Deutschlands entwickelt und deren Implikationen für die zukünftige Landnutzung geprüft. Ein neu konzipierter, multikriterieller Bewertungsrahmen ermöglicht die gemeinsame Analyse sozioökonomischer und biophysikalischer Potenziale sowie die Abwägung möglicher Synergien und Nebeneffekte mit weiteren Landnutzungsaspekten. Aufbauend auf den Ergebnissen werden gemeinsam mit den Stakeholdern Planungsinstrumente und Politikpfade für Deutschland abgeleitet.

In dem Vortrag werden Ergebnisse aus zwei Stakeholder Workshops präsentiert. Die Teilnehmenden setzten sich aus den Bereichen Wirtschaft, Zivilgesellschaft, öffentlichen Einrichtungen und Politik auf Bundes‑, Landes- und Kommunalebene zusammen. Resultate dieser Workshops sind landnutzungserweiterte SSP-Narrative sowie Visionen der Stakeholder über die Zukunft von CDR und des Landsystems in Deutschland. Für die Gestaltung der Narrative wurde die partizipative Stakeholderbeteiligung in einem gemischten Methodenansatz um eine Literaturrecherche ergänzt. Zur Gewährleistung einer transparenten, konsistenten SSP-Entwicklung erfolgte eine Reflexion und Validierung der Narrative mit den Stakeholdern. Erfahrungen und Herausforderungen bei der Stakeholder-Einbindung in die Entwicklung sozioökonomischer Szenarien werden im Vortrag explizit erläutert.