Sozioökonomische Szenarien als Entscheidungsunterstützung zur Regionalentwicklung, Klimawandelanpassung und -minderung
Abstract der Sitzung
Forschung zum globalen und regionalen Wandel ist inhärent an der Zukunft interessiert. Während jedoch räumliche Szenarioverfahren in der physisch-geographische Forschung seit Jahren einen festen Bestandteil des Methodenspektrums bilden (z.B. im Kontext von Klimawandelauswirkungen), werden räumliche Szenarien zu sozioökonomischen Wandelprozessen in der Humangeographie bislang weitaus weniger genutzt. Dies ist beachtlich, bieten derartige Szenarien doch wichtige analytische und normative Zugänge zur wissenschaftlichen Untersuchung von Wandelprozessen und zentrale Entscheidungsgrundlage für die Politik und Praxis. Für die Erforschung und Bearbeitung von Klimawandelauswirkungen beispielsweise sind Abschätzungen zu zukünftigen Trends in der Exposition (z.B. getrieben durch Urbanisierungsprozesse in Hochwasserlagen) und der sozialen und wirtschaftlichen Verwundbarkeit (z.B. bedingt durch den demographischen Wandel, Veränderungen in der sozialen Kohäsion oder der starken Abhängigkeit entlang von Wertschöpfungsketten) von zentraler Bedeutung für ein umfassendes Verständnis von zukünftigen Risiken und Anpassungserfordernissen (Garschagen & Kraas 2010; Birkmann et al. 2020). Während auf globaler Ebene in den letzten Jahren wichtige Schritte hin verbesserten Szenarioverfahren gegangen wurden, v.a. mit den sog. Shared Socioeconomic Pathways, liegen die Herausforderungen der nächsten Jahre darin, derartige Ansätze auch für nationale, regionale und lokale Anwendungen weiterzuentwickeln und nutzbar zu machen. Die Geographie nimmt hierbei bereits eine zentrale Rolle ein und kann diese in der Zukunft sicherlich noch ausbauen. Zudem können transdisziplinär erstellte Szenarien die Wissensintegration und das Verständnis von Zusammenhängen bei den Beteiligten fördern und vorhandene Handlungs- und Gestaltungsspielräume aufzeigen (Musch & von Streit 2020).
Die Vortragsitzung nimmt den Stand der geographischen Forschung in den Blick, erörtert momentane Herausforderungen und leitet Erfordernisse für zukünftige Forschung ab. Zentrale Diskussionspunkte beinhalten u.a.:
- die Wahl des Ansatzes zur Entwicklung und Konstruktion von Szenarien an der Schnittstelle von qualitativen oder quantitativen Methoden;
- das möglichen Downscaling von globalen Szenarien auf die regionale und lokale Ebene;
- die Gestaltung von partizipativen und transdisziplinären Prozessen;
- die Probleme der Datenverfügbarkeit für lokale und räumliche Szenarien;
- die Überführung der Szenarien in konkrete, praxistaugliche Planungsinstrumente;
- der Umgang mit szenario-inhärenten Unsicherheiten in der Stadt- und Regionalplanung sowie Wirtschaftsförderung.
Wir begrüßen sowohl konzeptionelle als auch methodische und empirische bzw. modellgestützte Beiträge. Fallbeispiele aus aller Welt sind ebenfalls willkommen. Vorträge aufbauend auf Abschlussarbeiten werden zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sehr gerne aufgenommen.