Phosphor und Plantagen: Zirkulierende Fruchtbarkeit im Plantationocene
Abstract
Phosphor ist essenzieller Bestandteil jeden Lebens: Bakterien, Pflanzen und Tiere sind alle auf das chemische Element angewiesen, das unter anderem ihre DNA und RNA als Phosphodiester zusammenhält, als Adenosintriphosphat (ATP) Energie innerhalb des Körpers transportiert und insgesamt das Wachstum des jeweiligen Organismus stimuliert. Letztere Eigenschaft wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Julius von Liebig entdeckt, was den Grundstein für die industrielle Produktion von Phosphatdünger legte, der zur Steigerung der Fruchtbarkeit landwirtschaftlich genutzter Böden eingesetzt wird. Der Gebrauch phosphathaltigen Düngers hat allerdings auch ungewünschte Effekte: Da große Teile nicht von den Pflanzen aufgenommen oder später von Nutztieren wieder ausgeschieden werden, gelangt Phosphor in Gewässer, wodurch immer häufiger Algenblüten, Todeszonen und Fischsterben ausgelöst werden (Carpenter 2008).
Vom Phosphor ausgehend, untersucht der Beitrag, wie Fruchtbarkeit inner- und außerhalb von Plantagen zirkuliert. Einerseits wird nach den Strukturen des Plantationocenes gefragt, die Phosphor als materialisierte Fruchtbarkeit domestizieren, kommodifizieren und ausbeuten. Phosphorhaltiges Gestein wird überwiegend in Ländern des Globalen Südens abgebaut, daraufhin von Chemiekonzernen aufbereitet und schließlich von Landwirt*innen gekauft und auf ihrem Feld ausgebracht. Andererseits wird Phosphor selbst unter dem Aspekt seiner (potentiellen) Lebendigkeit in den Blick genommen und gefragt, welche biochemischen Eigenschaften es ihm erlauben, sich der vollständigen Kontrolle zu entziehen, in Gewässern zu verwildern und auf diese Weise Widerstand gegen seine vollständige Ausbeutung zu leisten.
Mit dem Verständnis von Phosphor als Fruchtbarkeit versucht der Beitrag Ansätze aus den Chemischen Geographien und Mehr-als-menschlichen Geographien miteinander zu kombinieren, um eine neue Perspektive auf Kontrolle und Widerstand im Plantationocene zu entwickeln. Anstelle einzelner, in Plantagen ausgebeuteter Körper (Menschen, Ölpalmen, Mais, Schweine etc.) werden die unterschiedlichen Verkörperungen des Phosphors (Stein, Dünger, Pflanze, Tier) und ihre Zirkulationen vom Tagebau bis zum eutrophen Gewässer untersucht. Fruchtbarkeit, Leben und Widerstand werden somit nicht auf zeitlich begrenzte Körper reduziert, sondern als andauerndes Werden (Braidotti 2014) verstanden, wodurch die Bedingungen „of separation and combination, of stability and instability, of attraction and repulsion, of living and nonliving“ (Romero et al. 2017: 159) im Plantationocene sichtbar werden.
Braidotti, Rosi. 2014. Posthumanismus. Leben jenseits des Menschen. Frankfurt/M.: Campus.
Carpenter, Stephen R. 2008. „Phosphorus control is critical to mitigating eutrophication.“ PNAS 105 (33): 11039-11040.
Romero, Adam M., Julie Guthman, Ryan E. Galt, Matt Huber, Becky Mansfield & Suzana Sawyer. 2017. „Chemical Geographies.” GeoHumanities 3 (1): 158-177.