Politisch-ökologische Perspektiven auf Umwelt- und Klimawandelanpassung im ghanaischen Volta-Delta: In-situ Umsiedlung im Zuge eines Küstenschutzprojektes bei Keta

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Friedrich Neu (Universität Freiburg)
Kurz­be­schreib­ung
In Folge eines Küstenschutzprojektes im Volta-Delta sollten Bewohner mit Umsiedlungshäusern auf aufgeschüttetem Land vor Ort kompensiert werden. Es werden geomorphologische Prozesse erläutert, Akteure samt ihrer Machtasymmetrien offengelegt und die Wirkmächtigkeiten herausgearbeitet.

Abstract

Entlang der Küsten unseres Planeten werden die negativen Auswirkungen energie- und ressourcenintensiven Wirtschaftens immer sichtbarer. Steigende Meeresspiegel in Kombination mit häufigeren und intensiveren Stürmen führen dort u.a. zu Küstenerosion und Überschwemmung. Besonders stark betroffen sind davon Flussdeltas, die meist dicht besiedelt sind. Diese Ökosysteme an der Schnittstelle von Land, Fluss und Meer reagieren äußerst sensibel auf externe Veränderungen, da sie oft nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegen und aufgrund ihrer geologischen Beschaffenheit sehr leicht vom Meer oder Fluss erodiert werden können.

Entlang der Küste des ghanaischen Volta-Deltas gingen im Laufe des 20. Jahrhunderts große Landflächen der Nehrung östlich der Mündung verloren. Tausende Anlo-Ewe sahen ihre Häuser und Lebensgrundlagen wegen der sich sukzessive landeinwärts verschiebenden Küstenlinie ins Meer stürzen. Obwohl der Küstenstreifen des vormaligen Handelszentrums Keta durch die voranschreitende Küstenerosion längst seiner ökonomischen Bedeutung beraubt worden war, wurde ab 1999 unter US-Beteiligung das „Keta Sea Defence Project“ umgesetzt, das auf – im Globalen Norden entwickelte – etablierte Verfahren des technischen Küstenschutzes setzte. So wurden Buhnen und Deiche gebaut, um die Küstenlinie nordöstlich von Keta zu stabilisieren. Auch wurde Land vom Meer und aus der Lagune (rück‑)gewonnen. Um das Küstenschutzprojekts aus Ingenieurssicht sinnvoll zu implementieren, mussten in zu niedrigem Gelände gelegene Häuser, die bis dato noch dem Meer getrotzt hatten, zerstört werden. Betroffene Haushalte sollten in eigens für sie auf dem künstlich gewonnenen Land neu gebaute Häuser umgesiedelt werden, was allerdings aus einer Vielzahl von Gründen nur in Teilen umgesetzt wurde.

Die Präsentation speist sich größtenteils aus selbst erhobenem empirischem Material aus qualitativer Feldforschung, das während zwei Aufenthalten 2021 und 2022 im Volta-Delta in den Gemeinden Kedzi, Vodza, Adzido und Keta generiert wurde. Inhaltlich taucht der Vortrag zunächst tief in die fluss- und küstenmorphologischen Prozesse ein, um die Palette an anthropogenen Veränderungen nachvollziehen zu können, die – Raum und Zeit überwindend – zu Erosion und Überschwemmung entlang der Küste des Volta-Deltas beigetragen haben, und dies nach wie vor tun. Unterfüttert mit größtenteils eigenem Bild- und Videomaterial wird im Anschluss der Fokus auf die Analyse der hochkomplexen Fallstudie von in-situ Umsiedlung nahe Keta gelegt. Verankert in politisch-ökologischen Denkansätzen werden Machtasymmetrien zwischen Akteuren auf verschiedenen Skalenebenen offengelegt. Neben Macht und Wissen wird in diesem Zuge aber auch die Wirkmächtigkeit der physischen Veränderungen, die in das post-koloniale kulturelle Setting eingebettet sind, auf den Aushandlungsprozess des Umsiedlungsprojektes verdeutlicht.