Urbane Politische Ökologie von Küstentransformationen

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-292
Termin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Raum
HZ 13
Sitzungsleitung
Johannes Herbeck (Universität Bremen)
Jonas Hein (IDOS)
Kurz­be­schreib­ung
Die Sitzung diskutiert die Bedeutung (geomorphologischer) Veränderungen für eine Politische Ökologie von Küstenräumen. Sie fokussiert Diskurse, Machtasymetrien und Metabolismen der Raumproduktion im Kontext von Meeresspiegelanstieg, Landgewinnung und Waterfront-Projekten.

Abstract der Sitzung

Küstenräume wandeln sich im Kontext von Industrialisierung und Urbanisierung weltweit stark. Küstenstädte sind zentrale Knoten des Handels, Industrie- und Dienstleistungsstandorte und zugleich Standort von neueren Waterfront-Projekten für meist wohlhabende Bevölkerungsgruppen. Die Ausweitung von Industrie‑, Hafen- und hochwertigen Wohn- und Büroflächen durch Landgewinnung geschieht häufig auf Kosten von Meeresnutzer:innen (Fischerei, Aquakultur) und Ökosystemen wie Mangroven, Marschen und Lagunen. Gleichzeitig stellt der Klimawandel Bewohner:innen und staatliche Akteure vor neue Herausforderungen: der Anstieg des Meeresspiegels wird als Bedrohung für urbane Küsten wahrgenommen. Die grundlegenden Formen (Schutz, Adaptation, Rückzug) von Anpassung werden oft durch große technische Lösungen vorangetrieben, insbesondere in städtischen Räumen, in denen hohe Verluste und Schäden zu erwarten sind und der Wettbewerb um Flächen weichere Formen der Anpassung erschwert.

In dieser Sitzung wollen wir Prozesse der Küstentransformation aus der Perspektive der urbanen politischen Ökologie in den Blick nehmen. Wir wollen dabei insbesondere geomorphologische Veränderungen in der humangeographischen Stadtforschung stärker verankern, im Sinne eines geologising urban political ecology (Dawson, 2021). Küstentransformationsprozesse verändern die Möglichkeiten verschiedener Akteure marine Ressourcen zu nutzen, Zugang zur Küsten zu erhalten und Wasserflächen für den Transport oder die Fischerei zu nutzen. Geomorphologische Veränderungen der Küstenlinie z.B. durch den Klimawandel, Landsenkungsprozesse und Landgewinnung, sowie deren Verhandlung in Anpassungsprojekten spiegeln Machtbeziehungen zwischen verschiedenen Akteuren wieder und sind essentieller materieller Bestandteil mariner Raumproduktion. Praktiken wie Landgewinnung, das Ausbaggern von Fahrrinnen für die Schifffahrt oder der Bau von Deichen für den Küstenschutz sind dabei in spezifische Metabolismen eingebettet, die Küstenstädte mit weiteren terrestrischen und marinen Räumen verbinden und dabei zur Produktion von marinen Zentren (Waterfront) und marinen Peripherien (Orte der Sandextraktion oder Schlickablagerung) führen. In der Sitzung wollen wir die konzeptionellen und empirischen Implikationen einer stärkeren Auseinandersetzung mit (geomorphologischen) Bedingungen der Produktion/Konstruktion von marinen urbanen Räumen für die Humangeographie und die urbane politische Ökologie diskutieren.

Wir freuen uns insbesondere über Beiträge zu den folgenden Themenfeldern:

1)Diskurse, Narrative und Visualisierungen rund um Planungsprozesse, waterfront development, Küstenschutz, Klimawandel etc.

2)(Materielle) Metabolismen der Produktion von Zentren und Peripherien von Küsten und Auswirkungen auf Stadtbevölkerung

3)Akteure und Machtasymmetrien der marinen Raum- und Wissensproduktion

Dawson, K. (2021). Geologising urban political ecology (UPE): The urbanisation of sand in Accra, Ghana. Antipode, 53(4), 995-1017.