Politische Geographien der digitalen Zirkulation: Umkämpfte Raumkonfigurationen von Content Delivery Networks

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 3
Autor*innen
Finn Dammann (FAU Erlangen-Nürnberg)
Boris Michel (Universität Halle)

Abstract

Die politische Relevanz des Datenroutings und seiner techno-materiellen Geographien ist nicht

zuletzt vor dem Hintergrund der infrastrukturellen Brüche während des Ukraine-Krieges und der

Proteste im Iran deutlich sichtbar geworden. Darüber hinaus wird die politische Dimension des

Datenroutings nicht nur vor dem Hintergrund militärischer und ziviler Auseinandersetzungen

deutlich, sondern auch im Hinblick auf umstrittene technische Standardisierungen (wie die

aktuellen Bestrebungen von Huawei zur Einführung von IPv6+ und New IP) und die politische

Ökonomie der digitalen Kommunikation durch den Ausbau von Cloud- und

Netzwerkinfrastrukturen. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir die umkämpften Geographien

von Content Delivery Networks (CDNs). CDNs sind Netzwerke von verteilten Cache-Servern, über

die Daten in geographischer Nähe zu den Endnutzer_innen gespeichert werden können. Dadurch

wird die Latenzzeit des Datenverkehrs zwischen Webservern und clientseitigen Anwendungen

verringert. Mit dem Aufkommen von datenintensiven Webdiensten sind CDNs zu zentralen

Internet-Infrastrukturen geworden. Wir fragen, inwieweit dieser historische Trend zu komplexen

Ökosystemen für Cloud Computing neue Netzwerkeffekte und Lock-in-Effekte erzeugt hat und

inwieweit dies zu einer Rekonfiguration der Funktionen etablierter Internetinfrastrukturen führt und

zu einem Verlust beabsichtigter Normen - wie der Netzneutralität - beiträgt. Mit Blick auf die

aktuellen Debatten um „digitale Souveränität“ verweisen wir auf einen historischen Trend, der

bisher wenig Beachtung gefunden hat: die Fragmentierung von Internetinfrastrukturen in digitale

Ökosysteme.