Politische Geographien der digitalen Zirkulation: Umkämpfte Raumkonfigurationen von Content Delivery Networks
Abstract
Die politische Relevanz des Datenroutings und seiner techno-materiellen Geographien ist nicht
zuletzt vor dem Hintergrund der infrastrukturellen Brüche während des Ukraine-Krieges und der
Proteste im Iran deutlich sichtbar geworden. Darüber hinaus wird die politische Dimension des
Datenroutings nicht nur vor dem Hintergrund militärischer und ziviler Auseinandersetzungen
deutlich, sondern auch im Hinblick auf umstrittene technische Standardisierungen (wie die
aktuellen Bestrebungen von Huawei zur Einführung von IPv6+ und New IP) und die politische
Ökonomie der digitalen Kommunikation durch den Ausbau von Cloud- und
Netzwerkinfrastrukturen. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir die umkämpften Geographien
von Content Delivery Networks (CDNs). CDNs sind Netzwerke von verteilten Cache-Servern, über
die Daten in geographischer Nähe zu den Endnutzer_innen gespeichert werden können. Dadurch
wird die Latenzzeit des Datenverkehrs zwischen Webservern und clientseitigen Anwendungen
verringert. Mit dem Aufkommen von datenintensiven Webdiensten sind CDNs zu zentralen
Internet-Infrastrukturen geworden. Wir fragen, inwieweit dieser historische Trend zu komplexen
Ökosystemen für Cloud Computing neue Netzwerkeffekte und Lock-in-Effekte erzeugt hat und
inwieweit dies zu einer Rekonfiguration der Funktionen etablierter Internetinfrastrukturen führt und
zu einem Verlust beabsichtigter Normen - wie der Netzneutralität - beiträgt. Mit Blick auf die
aktuellen Debatten um „digitale Souveränität“ verweisen wir auf einen historischen Trend, der
bisher wenig Beachtung gefunden hat: die Fragmentierung von Internetinfrastrukturen in digitale
Ökosysteme.