Politische Paradigmen im Stadttourismus aus machtanalytischer Perspektive

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 15
Autor*innen
Nils Grube (TU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag hebt die Bedeutung politischer Paradigmen innerhalb der tourismuspolitischer Governance in Städten hervor und diskutiert exemplarisch an den Beispielen Berlin und Amsterdam Potenziale und Grenzen politischer Einflussnahme und Mitbestimmung.
Schlag­wörter
Stadttourismus, Tourismusgeographie, Governance, Konflikte

Abstract

In den aktuellen Debatten zur Rolle vom Tourismus in Städten werden Positionen, die den Tourismus als etwas genuin Städtisches betrachten, selten hinterfragt. Historisch rückblickend ist der Auffassung, dass Städte schon immer auch Orte des Bereisens waren, zweifelsohne wenig entgegenzuhalten. Doch Ausmaß und Dominanz, die das Thema Tourismus in Städten mittlerweile eingenommen hat, lassen Zweifel an besagtem „natürlichen“ Verhältnis aufkommen. Neben der wachsenden Bedeutung im Kontext städtischer Entwicklungsstrategien betrifft dies auch die Ambivalenz und Konflikte, die der Tourismus insbesondere in den Jahren vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 ausgelöst hatte. Eben jener Umstand berechtigt daher die in der Session aufgeworfenen Frage, wie Städte durch Tourismus „gemacht“ werden. Eine mögliche Beantwortung dieser Frage aus spezifisch machtanalytischer Perspektive wird in diesem Beitrag über die gegenläufige Frage, wie Tourismus in Städten „gemacht“ wird, unternommen. Zur Annäherung wird zunächst ein Bezug zur theoretischen Debatte über policy paradigms (Hall 1993, Hogan und Howlett 2015) vorgeschlagen. Hierbei werden politischen Paradigmen als ideelle und normative Rahmen verstanden, innerhalb dessen politische Entscheidungsträger arbeiten und der die Ziele und Instrumente von Politiken spezifiziert. Mithilfe eines hieraus abgeleiteten, qualitativ-interpretativen Forschungsansatzes wird anschließend die Bedeutung vorherrschender Paradigmen zur Untersuchung von Governancestrukturen innerhalb der tourismuspolitischen Steuerung hervorgehoben. Anhand der Fallbeispiele Amsterdam und Berlin wird hierzu die tourismuspolitische Praxis gezielter betrachtet. Auf Grundlage empirischer Feldforschung, die vor und während der Pandemie in durchgeführt wurde, werden die sich innerhalb des diskursiven Politikfelds bewegenden Akteure sowie deren Rollen und Sichtweisen analysiert. Dabei wird deutlich, dass beispielsweise das Fortlaufen wachstumsförderlicher Tourismusvermarktung und das gleichzeitige Aufkommen von Maßnahmen zur Befriedung stadträumlicher Konflikte nicht zwangsläufig als widersprüchliche Positionierungen begriffen werden müssen. Vielmehr lässt sich dieses Zusammenfallen als Ausdruck der Anpassungsfähigkeit des vorherrschenden Paradigmas deuten, bei dem innerhalb des existierenden Handlungsrahmens auf veränderten Bedingungen reagiert wird. Illustriert wird dieser Befund abschließend am Beispiel der Beteiligung innerhalb der städtischen Tourismuspolitik, bei dem sich besonders deutlich bestehende Machtstrukturen und die Grenzen der Mitbestimmung bei der tourismuspolitischen Gestaltung offenlegen lassen. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion über das Potenzial des vorgestellten Ansatzes für die weiterführende Positionierung einer kritischen Tourismusgeographie zum Verhältnis von Tourismus, Macht und Stadt.