Sicheres Wohnen und häusliche Gewalt

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 3
Autor*innen
Friederike Frieler (HTWK Leipzig)
Kurz­be­schreib­ung
Das Phänomen der häuslichen Gewalt steht im Kontrast zum Konzept der ‚sicheren Wohnung‘. Der Beitrag diskutiert, inwiefern sich Aspekte des privaten Wohnraums auf die Sicherheit des Wohnens in Bezug auf häusliche Gewalt auswirken und sucht nach Ansätzen für eine verbesserte Prävention und Intervention.
Schlag­wörter
häusliche Gewalt, sicheres Wohnen, Prävention

Abstract

In Deutschland ist jede vierte Frau* im Laufe ihres Lebens von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen, oft in Beziehungen oder im häuslichen Umfeld. Insbesondere Frauen* mit Intersektionen zu weiteren Diskriminierungsmerkmalen, wie beispielsweise Migrant_innen, Frauen* mit Behinderungen oder queere Frauen*, sind häufiger von häuslicher Gewalt betroffen. Das Phänomen der häuslichen Gewalt steht im Kontrast zum gesellschaftlichen Konzept der ‚sicheren Wohnung‘. Noch paradoxer zu dieser Vorstellung ist der Befund, dass die Privatheit der Wohnung eine strukturelle Begünstigung für das Auftreten häuslicher Gewalt bildet. Gewaltverhalten wird im familiären Kontext noch immer gesellschaftlich eher akzeptiert bzw. normalisiert, als in anderen sozialen Kontexten. Die maßgeblich von der Frauenbewegung der 1970er Jahre bewirkte Entwicklung, häusliche Gewalt nicht länger als privates, sondern als gesellschaftliches Problem zu erkennen, ist längst nicht abgeschlossen.

Der Beitrag greift die in Deutschland gerade erst beginnende Debatte auf, inwiefern sich Aspekte des privaten Wohnraums auf die Sicherheit des Wohnens in Bezug auf häusliche Gewalt auswirken. Er skizziert folgende theoretische Ansatzpunkte häuslicher Gewalt und der Privatheit des Wohnens, deren Bezüge zueinander sowie die praktischen Folgen:

1.Problemstellung: Wohnung als sicherer Ort versus Wohnung als Ort der Gewalt

2.Strukturelle Bedingungen häuslicher Gewalt, die mit der Eigenschaft der Privatheit von Wohnraum zusammenhängen

3.Materielle Faktoren, die die Sicherheit/den Schutz vor Gewalt in der eigenen Wohnung beeinflussen

4.Soziale Faktoren, die die Sicherheit/den Schutz vor Gewalt in der eigenen Wohnung beeinflussen

5.Schlussfolgerungen: Ansätze zur Gewaltprävention und -intervention, die für die Wohnungs(bau)politik relevant sind

Dabei wird deutlich, dass einige materielle sowie immaterielle Aspekte des privaten Wohnraums häusliche Gewalt begünstigen, Betroffene in gewaltvollen Wohnverhältnissen verharren lassen oder die Möglichkeiten des Hilfesystems einschränken. Daraus werden Ansätze und Vorschläge abgeleitet, wie auch Wohnungs(bau)politik einen Beitrag zur Prävention von und Intervention bei häuslicher Gewalt leisten kann.

Im Anschluss an den theoretischen Input erfolgt die Vorstellung erster Ergebnisse aus zwei Fokusgruppendiskussionen zum Thema Sicheres Wohnen und häusliche Gewalt. Vertreter:innen des Gewaltschutzsystems, der Polizei, Wohnungslosenhilfe und der Wohnungswirtschaft in Leipzig diskutierten zu Ressourcen, Barrieren und Kooperationen für sicheren Wohnraum in Leipzig.

Dabei wurden insbesondere Bedarfe nach verbesserter Vernetzung und Kooperation und nach ganzheitlichen Angeboten deutlich. Diese sollten nicht nur die kurzfristige sichere Unterbringung und Krisenintervention, sondern darüber hinaus auch langfristige Unterstützung in Wohnangelegenheiten, psychosozialer Versorgung, sozialer Eingebundenheit und ökonomischer Unabhängigkeit gewährleisten.