Sorgende Nachbarschaften und Sorgende Städte: Wege zur feministischen Vergesellschaftung der Sorge
Abstract
In unserem Beitrag wollen wir Care-Arbeit als wesentlichen Bestandteil der Daseinsvorsorge hervorheben und diskutieren, warum und wie wir Bereiche der sozialen Reproduktion vergesellschaften könnten. Damit schließt unser Beitrag an aktuelle Debatten zur Vergesellschaftung (VG) von Sorgearbeit (u.a. auf der Sorgende Städte Konferenz 2023 und der Vergesellschaftungskonferenz 2022), als Teil einer feministischen Transformationsstragie an.
An den herrschenden Verhältnissen und der Organisation von Sorgearbeit hat sich wenig getan: Sorgearbeit ist nach wie vor entlang der Linien von Geschlecht, Race und Klasse ungleich verteilt. Wie in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge beobachten wir Privatisierungs- und Externalisierungstendenzen. Dies führt dazu, dass Sorgearbeit zunehmend (an migrantisierte und rassifizierten Personen) ausgelagert, in den privaten Raum verlagert, und kommodifiziert wird.
Vor diesem Hintergrund sehen wir die feministische VG von Sorgearbeit als Weg zu einer gesellschaftlichen Transformation an. In unserem Beitrag skizzieren wir, wie vergesellschaftete Sorge-Infrastrukturen aussehen könnten, die lokal im Kiez verankert und an den Bedarfen der Sorgetragenden ausgerichtet sind. Dazu wollen wir von verschiedenen sozialen Bewegungen und Praxisbeispielen lernen und blicken dafür nach Barcelona, Zaragoza und Santiago de Chile, wo mit einer munizipalistischen Stadtregierung neue Wege der Demokratisierung und VG von Sorgearbeit erprobt werden. Auch in Bremen und Berlin werden Ideen und Konzepte zur VG von Sorgearbeit vermehrt diskutiert und getestet.
Die Basis für eine Umsetzung, sind aus unserer Sicht partizipative Prozesse von unten. Wir sehen auf der Ebene der Nachbarschaft das größte Potenzial, eine sorgende Unterstützungsstruktur aufzubauen, da wir im Alltag wohnortnahe Sorge-Infrastrukturen und kurze Sorgewegeketten benötigen. Dafür ist es essenziell die aktuellen nachbarschaftlichen Sorgestrukturen verstehen zu lernen und zu analysieren, welche Rahmenbedinungen und Strukturen von denjenigen benötigt werden, die Sorgearbeit durchführen.
Im Rahmen unseres Beitrags, wollen wir die Methode - eine partizipative Bestandsaufnahme dieser Strukturen durchzuführen – sowie unsere daraus entstandenen Ergebnisse vorstellen. Innerhalb eines explorativen Projekts rund um den Leopoldplatz in Berlin-Wedding, haben wir institutionalisierte Sorgearbeitende in der Daseinsvorsorge kartiert und durch Interviews Spannungsfelder, Forderungen und Kämpfe herausgearbeitet: In der Praxis reichen finanziellen Mittel häufig nur für Teilzeitstellen, trotzdem arbeiten viele Vollzeit. Projektförderungen erfolgen in der Regel nur für kurze Zeit, was zu ungewissen Zukunftsaussichten sowie zusätzlicher, unbezahlter Arbeit führt. Projektförderungen sind häufig an (politische)Trends gebunden und bekämpfen selten die Ursachen. Dieser ausschnitthafte Einblick in die Praxis unterstreicht die Dringlichkeit einer feministischen VG der Sorgearbeit von unten.