Soziale Transformation durch soziale Infrastrukturen? Zum Nexus von Bibliotheken, Bildung und Begegnung
Abstract
Bibliotheken sind mehr als „Buch-Behälter“. Sie sind Orte der Begegnung und der Bildung. Als soziale Infrastruktur tragen sie zum Funktionieren des Zusammenlebens auf lokaler Ebene bei. Offen und (kosten‑)frei zugänglich für alle, repräsentieren Bibliotheken sozialräumliche Arrangements der Ermöglichung, insbesondere der gesellschaftlichen Teilhabe – physisch wie digital. In meinem Beitrag fokussiere ich auf öffentliche Bibliotheken (ÖB) und ihre Rolle in der und für die Transformation der Stadtgesellschaft. Über eine multimethodische Untersuchung in ÖBs in Hannover, Darmstadt und Halle zeige ich, dass soziale Infrastrukturen eine Schnittstelle für die Ko-Konstruktion von Macht, Normen und Wissen sein können. ÖBs stellen konkret erfahrbare Anlaufstellen in der Stadt und einen Ausgangspunkt zur demokratischen Stärkung der Stadtgesellschaft dar; sie fungieren entlang ihrer normativen Ausrichtung als physisch-materieller Rahmen für Aushandlungsprozesse, für Begegnungen mit (un)bekannten Anderen und für den sozio-kulturellen wie -politischen Austausch über soziale Innovationen. In diesem Sinne können sie gesellschaftliche Vernetzung organisieren, Erkenntnisse der Transformationsforschung zur Verfügung stellen (Transformationsbildung), das Verstehen anregen, aber auch ein Verständnis für Handlungsansätze und Lösungsprozesse vermitteln (transformative Bildung). Als Spiegel der Gesellschaft stehen ÖBs aber selbst zur Diskussion. Ihr Beitrag zur Wissensverortung dient nicht nur der eigenen Legitimation – ihrer rezenten institutionellen Transformationsnotwendigkeit –, sondern auch der Legitimation der Transformationsprozesse. Die Kommunikation mit der Gesellschaft und in die Gesellschaft hinein, kann über (informelle) Bildungsangebote, Aktivitäten und Veranstaltungen Partizipation und Empowerment fördern. Insofern sind ÖBs in Deutschland bislang eher „Kann-Räume“, die Gelingensbestrebungen und Hoffnungen auf einen transformatorischen Wandel intentional unterstützen. Mein Beitrag blickt daher auch kritisch auf das Ideal- und Realbild von ÖBs, ihre Selbst- und Fremdbeschreibung. Weiterhin möchte ich nachzeichnen, welche Begegnungen in ÖBs überhaupt und zwischen wem stattfinden. Daneben gilt es, den Bildungsbegriff der Wissensgesellschaft daraufhin zu hinterfragen, ob die Gesellschaft und das Individuum in der Gesellschaft sich an diesem orientiert und die Prämisse von interessierten und engagierten Bildungsbürger*innen nicht zu ideologisch ist. Zuletzt sind Bibliotheken selbst auf ihre Möglichkeiten und Grenzen in Hinblick auf ihre integrative Zugänglichkeit für die und ganzheitliche Erreichbarkeit der Stadtgesellschaft, die Bereitstellung und Vermittlung von Informationen (Wissenstransfer) sowie die proaktive wie kooperative Gestaltung der Transformation zu einer (sozial) nachhaltigen, zusammenhaltenden Wissensgesellschaft zu überprüfen.