Stadt zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 12
Autor*innen
Johann Braun (Universität Heidelberg)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag untersucht die Polarisierung der Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft in autoritären und rechten Narrativen. Er zeigt, wie diese Polarisierung in der Auseinandersetzung mit Stadt konkret wird und diese zugleich präformiert.

Abstract

Der Beitrag nimmt Gemeinschaft als Begriff autoritärer und rechter Mobilisierungen (Amlinger/Nachtwey 2022; Strobl 2021; Heitmeyer 2018) in den Blick. Dabei ist zu beobachten, wie Gemeinschaft strategisch in Opposition zu Gesellschaft erzählt wird. Während Gemeinschaft als exklusive soziale Ordnung imaginiert wird, steht Gesellschaft in diesen Narrativen für die „Komplexität, Unübersichtlichkeit und Beschleunigung“ (Heitmeyer 2018: 246) der Gegenwart.

Diese Polarisierung will der Beitrag ideengeschichtlich und gegenwartsbezogen empirisch verfolgen und herausarbeiten, wie sie sich raumbezogen artikuliert bzw. in rechten Narrativen erst in der Auseinandersetzung mit konkreten Orten konstituiert wird. Dafür richtet der Beitrag seinen Blick auf Stadt.

Als Ort der Moderne steht sie bereits in völkischen Schriften des 19. Jahrhunderts für gesellschaftliche Zivilisation und damit den Verlust von Gemeinschaft. Daneben tritt spätestens ab den 1920ern ein „reaktionärer Modernismus“ (Herf 1984), der explizit Stadt als Ort einer autoritären Mobilisierung und technisch vermittelten Vergemeinschaftung beschreibt (Jünger 2001).

Diese Ambivalenz verfolgt der Beitrag in die Gegenwart autoritärer und rechter Narrative, in denen Stadt entsprechend für eine falsche, weil liberale und fremde Vergemeinschaftung in der modernen Gesellschaft sowie das Versprechen einer gemeinschaftlichen Ordnung abendländischer Kultur und Zivilisiertheit steht (Braun i.E.).

Diese empirische Genealogie veranschaulicht schließlich, wie sich Gesellschaftsbilder und soziopolitische Ideenwelten immer über konkrete Orte artikulieren – diese zugleich als veränderlich kennzeichnen und Konfliktfelder um deren Gestaltung und politischen Charakter eröffnen.

Literatur

Amlinger, Carolin / Nachtwey, Oliver (2022): Gekränkte Freiheit: Aspekte des libertären Autoritarismus. Berlin: Suhrkamp.

Braun, Johann (i.E.): Stadt von Rechts. Regressive Versprechen zwischen Verachtung und Normalität. Berlin: Verbrecher Verlag.

Heitmeyer, Wilhelm (2018): Autoritäre Versuchungen: Signaturen der Bedrohung I. edition suhrkampBerlin: Suhrkamp.

Herf, Jeffrey (1984): Reactionary modernism. Cambridge: Cambridge University Press.

Jünger, Ernst (2001): Großstadt und Land. In: Berggötz, Sven Olaf (Hg.), Politische Publizistik: 1919 bis 1933. Stuttgart: Klett-Cotta, 229–235.

Strobl, Natascha (2021): Radikalisierter Konservatismus: Eine Analyse. Edition SuhrkampBerlin: Suhrkamp.