Verräumlichte Gemeinschaften (3/4): Rechtspopulismus und Neuer Lokalismus

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-261
Sitzungsreihe
Termin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Raum
HZ 12
Sitzungsleitung
Daniel Mullis (Leibniz-Institut Friedens- und Konfliktforschung (HSFK))
Melike Peterson (Universität Bremen)
Kurz­be­schreib­ung
Gemeinschaften sind räumlich, sie sind alltäglich produziert, umkämpft und widersprüchlich. Wir sehen progressive Potentiale, etwa wenn sie Solidarität ermöglichen, aber auch regressive Tendenzen, wenn sie auf völkischen Vorstellungen basierend, Territorien schließen. Welche Rolle spielen Gemeinschaften also in der Formierung von Ort und Raum?
Schlag­wörter
Politische Geographie
Johann Braun (Universität Heidelberg)
Stadt zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft
Paul Zschocke (Leibniz-Institut Friedens- und Konfliktforschung (HSFK))
Resilienter oder regressiver Lokalismus: New Localism im Spannungsfeld der Corona-Proteste in Freiberg
Valentin Domann (Humboldt-Universität zu Berlin)
Henning Nuissl (Humboldt-Universität zu Berlin)
Antonie Schmiz (FU Berlin)
Özge Yaka (FU Berlin)
Vom Verschwinden des ‚Politischen‘: Skalare Behauptungen lokalistischer Gemeinschaften
Bernd Belina (Goethe-Universität Frankfurt)
Discussant

Abstract der Sitzung

“Im begrifflichen Arsenal der Moderne nimmt ‘Gemeinschaft’ einen zentralen Stellenwert ein” (Gartenbach et al. 2010). In der Soziologie steht die Frage nach Formierungsweisen von Gesellschaft und Kollektivität an zentraler Stelle. Verbreitet ist das Beklagen des Verlustes an Gemeinschaft im Prozess der Individualisierung, wobei nicht selten die Dimension der Befreiung aus den Zwängen der Gemeinschaft gerade für marginalisierte Gruppen unterschlagen wird. In der Geographie werden Fragen nach Gemeinschaft meist nur implizit gestellt. Jedoch spielen Vorstellungen von Kollektivität und wie diese Räume produzieren, bzw. wie etablierte Räume Gemeinschaften formen eine zentrale Rolle: Es geht um lokale Gemeinschaften an Orten in alltäglichen Prozessen (Massey 1994), die politische Formierung von Protest in der kollektiven Erfahrung von Ungerechtigkeit (Castells 1983; Vollmer 2019), aber auch um völkische und nationale Raumkonzeptionen, die über Gemeinschaft räumliche Schließungen betonen (Militz/Schurr 2016).

Gemeinschaften sind räumlich, sie sind alltäglich produziert, umkämpft und widersprüchlich. Die Frage der Formierung von Gemeinschaft ist insofern auch für die Humangeographie von Relevanz. Mit der Session wollen wir diesen Diskussionen einen Ort der Explizierung schaffen. Wir fragen uns: Welche Rolle spielen Gemeinschaften in der Formierung von Ort und Raum auf unterschiedlichen Skalen, welche Herrschaftsverhältnisse kommen dabei zum Ausdruck, und wie werden Gemeinschaften territorial begründet, geöffnet oder geschlossen? Wir sehen progressive Potentiale von Gemeinschaft, etwa wenn sie Solidarität ermöglichen, aber auch regressives, wenn sie auf völkischen Vorstellungen basieren, oder - allgemeiner - das Register der Privilegien und der Schließung anrufen.

Wir freuen uns auf theoretische oder empirische Beiträge, die sich mit Gemeinschaften und ihrem räumlichen Entstehen beschäftigen. So ist die Session u.a. offen für Schwerpunkte wie:

Literatur

Castells, Manuel (1983): The City and the Grassroots. London: Arnold.

Gertenbach, Lars; Laux, Henning; Rosa, Hartmut; Strecker, David (2010): Theorien der Gemeinschaft. zur Einführung. Hamburg: Junius.

Massey, Doreen (1994): Space, Place and Gender. Minneapolis: University of Minnesota Press.

Militz, Elisabeth; Schurr, Carolin (2016): Affective nationalism: Banalities of belonging in Azerbaijan. In: Political Geography 54, 54–63.

Vollmer, Lisa (2019): Mieter_innenbewegungen in Berlin und New York. Die Formierung politischer Kollektivität. Wiesbaden: Springer VS.