Strukturmuster technologischer Trajektorien: Eine relationale Perspektive auf technologischen Wandel
Abstract
Technologischer Wandel wird seit über 40 Jahren als pfadabhängiger (aber kontingenter) Prozess charakterisiert: Kumulative Innovation resultiert in relativ stabilen technologischen Entwicklungspfaden bzw. Trajektorien, die jedoch durch technologische Paradigmenwechsel unterbrochen werden können (Dosi & Nelson, 2010). Existierende Studien betrachten oft die Entwicklung spezifischer Technologien entlang individueller Trajektorien. Eine solche isolierte Betrachtung ignoriert jedoch die komplexe Realität technologischer Innovation: Eine Konvergenz a priori unabhängiger Technologien kann über kurze Zeiträume zur Disruption ganzer Industrien führen, wie das Beispiel elektrischer Antriebstechnik im Automobilbau zeigt. Umgekehrt können Technologien im Rahmen von Diversifizierungsprozessen über ihre spezifischen Nischen hinaus an Relevanz gewinnen und so z.B. zu einer synergetischen Entwicklung von a priori unverwandten Feldern führen. Vor diesem Hintergrund setzt der Vortrag auf einen relationalen Ansatz, um Interdependenzen in der Entwicklung unterschiedlicher Technologiefelder zu erfassen und zu systematisieren. Insbesondere verfolgen wir eine theoretisch untermauerte Konzeptualisierung der oben angedeuteten Interdependenzen und ihrer kontextuellen Bedingungen (wie beispielsweise technologische Konvergenz und Divergenz oder Synergie und Wettbewerb) und unternehmen den Versuch diese mit empirisch beobachtbaren Strukturmustern zu verknüpfen. Als Datengrundlage nutzen wir dafür globale Patentdaten (EPO PATSTAT), welche sich aufgrund langfristiger Verfügbarkeit, hochauflösender Information über den Stand der Technik in einer Vielzahl an technologischen Feldern und Märkten sowie Referenzen zu früheren verwandten Technologien als eine der wichtigsten Datenquellen der Innovationsforschung etabliert haben. Um eine empirische Repräsentation technologischer Entwicklungspfade zu erlangen, setzen wir auf die Hauptpfadanalyse (Hummon & Doreian, 1989), welche wichtige Zitationsketten von Patenten identifiziert. Aufbauend auf dieser Repräsentation erlaubt das Zusammenfügen von Hauptpfaden in unterschiedlichen Technologiefeldern zu einem Netzwerk eine Untersuchung von Strukturmustern in deren gemeinsamer Entwicklung (z.B. Verzweigung oder Zusammenführung von Pfaden). Darüber hinaus nutzen wir Informationen über Erfinder bzw. Patentanmelder und deren Verortung, um die geographische und organisatorische Einbettung struktureller Entwicklungsmuster zu erfassen.
Dosi, G., & Nelson, R. R. (2010). Technical Change and Industrial Dynamics as Evolutionary Processes. In B. H. Hall & N. Rosenberg (Eds.), Handbook of the Economics of Innovation (Vol. 1, pp. 51–127). North-Holland. https://doi.org/10.1016/S0169-7218(10)01003-8
Hummon, N. P., & Doreian, P. (1989). Connectivity in a Citation Network: The Development of DNA Theory. Social Networks, 11, 39–63.