Studentisches Wohnen: Von „Pionierbewohner*innen“ der Stadtentwicklung zur integralen Größe sozialer Infrastrukturen

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Elisabeth Gruber (Alexander von Humboldt-Stiftung)
Yvonne Franz (Universität Wien)
Kurz­be­schreib­ung
Das Verständnis studentischen Wohnens als soziale Infrastruktur in Stadtteilen ist in politisch-planerischen wie auch wissenschaftlichen Diskussion eher unterrepräsentiert. Diese untergeordnete Rolle gilt es kritisch zu reflektieren, um eine bedeutende Akteur*innengruppe in die Diskussion zur Großen Transformation zu integrieren.
Schlag­wörter
Studentisches Wohnen; soziale Infrastruktur; Finanzialisierung; Governance;

Abstract

Die Rolle von Studierendenwohnheimen zur Bereitstellung von und Versorgung mit sozialer Infrastruktur in (Neubau‑)Stadtteilen scheint in der politisch-planerischen wie auch im wissenschaftlichen Diskurs eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dabei bieten Studierendenwohnheime in europäischen Universitätsstädten einen erheblichen Bestand an kostengünstigem Wohnraum für Studierende an, gerade in Zeiten steigender Miet- und Wohnkosten. Durch ihre zumeist zentralen Wohnlagen unterstützen Studierendenwohnheime gleichzeitig die soziale Integration der Studierenden als Neuankömmlinge in das städtische Umfeld. Studierendenwohnheime können zudem eine wichtige Rolle in Stadtteilen und Nachbarschaften einnehmen, wenn sie explizit als soziale Infrastruktur verstanden und in Stadtplanungsprozesse integriert werden.

In den vergangenen zehn Jahren wurde jedoch ein zunehmendes Engagement von gewinnorientierten Entwickler*innen und Anbieter*innen im Sektor des studentischen Wohnungsmarktes in europäischen Universitätsstädten beobachtet. Durch fortschreitende Finanzialisierungsprozesse im Wohnungsmarktsegment des studentischen Wohnens besteht die Gefahr der Verschiebung von studentischem Wohnen hin zu einer „Asset Class“ von Immobilienentwickler*innen anstatt eines Verständnisses als soziale Infrastruktur für Neuankömmlinge und vor allem junge Menschen in der Stadt.

Anhand der Fallstudie Wien wurden jüngste Veränderungen bei der Bereitstellung von Studierendenwohnheimen beobachtet, ebenso wie deren Bedeutung und Auswirkungen auf die soziale Dimension für Studenten*innen, als auch für die Stadtteile. Der Beitrag betont die Notwendigkeit, die unterrepräsentierte Rolle des studentischen Wohnens als soziale Infrastruktur kritisch zu reflektieren und mit den Fragestellungen der Großen Transformation zu verknüpfen. Die Rolle öffentlicher Akteur*innen sowie deren Politik und Governance von Studierendenwohnheimen zu betrachten birgt das Potential, den Beitrag studentischen Wohnens als soziale Infrastruktur (überhaupt) neu zu bewerten. Der Beitrag erweitert zudem die etablierte Angebots-Nachfrage-Perspektive um eine Verortung studentischen Wohnens als soziale Infrastruktur.