Territoriale Kämpfe um den (Öko)Tourismus im Norden Tansanias

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 3
Autor*innen
Magnus Keske (Universität Leipzig)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag untersucht diverse Wahrnehmungen der zunehmend kommodifizierten Mensch-Umwelt-Beziehungen im Rahmen der territorialen Kämpfe um den (Öko)Tourismus in Nord-Tansania. Mithilfe eines post-humanistischen Ansatzes und indigenem Wissen werden aktuelle und zukünftige Konfliktrisiken analysiert.

Abstract

Der Zugang zu Land und die Landrechte der Maasai im Norden Tansanias werden im Rahmen der zunehmenden Kommodifizierung der Mensch-Umwelt-Beziehungen durch die (Öko)Tourismusindustrie angefochten. In den letzten Jahren wurden Maasai aus (Naturschutz)Gebieten vertrieben und durch die Beschlagnahmung von Vieh enteignet. Indigene Völker sind aufgrund ihrer engen Verbindung zu Land, natürlichen Ressourcen und allen Lebewesen wirksame Hüter der Umwelt; auf ihrem Land befindet sich der Großteil der weltweiten biologischen Vielfalt. Maasai leben seit Jahrhunderten als Viehzüchter mit und vom Ökosystem der Serengeti, einem globalen Hotspot der biologischen Vielfalt. Die Verwaltung der Naturschutzgebiete und Nationalparks stützt sich jedoch fast ausschließlich auf westliche Naturschutzkonzepte.

Die Territorialisierung von Gebieten durch Militarisierung von Naturschutz ist ein funktionaler Bestandteil der Kommodifizierung von Natur, begünstigt Tourismusinteressen und entfremdet die lokale Bevölkerung von den natürlichen Ressourcen ihres Landes. Die Vertreibung und Enteignung der Maasai in der Serengeti findet seit der Kolonialzeit zunächst im Rahmen der Fixierung von Staatengrenzen und später im Rahmen der Einrichtung von Nationalparks und Naturschutzgebieten statt. Um die Idee der unberührten Natur für den (Öko)Tourismus zu verkaufen, werden außerdem ihre Lebensgrundlage, Bräuche und Wissen vernachlässigt und durch die Zwangsumsiedlung von dem Land, auf dem und vor allem mit dem sie gelebt haben, entfremdet.

Daher stellen sich mehrere Fragen:

Wie trägt ein anderes Verständnis von Mensch-Umwelt-Beziehungen zu (Inter)Aktionen in dem anhaltenden Konflikt bei? Wie kann die Position der Maasai miteinbezogen werden, um eine gerechte Teilhabe bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen zu ermöglichen?

Durch eine interdisziplinäre Studie des Landkonflikts in Nordtansania konzentriert sich der Beitrag darauf, wie das Verständnis der Mensch-Umwelt Beziehung verschiedener Akteure innerhalb der Entwicklung der Kommodifizierung von Natur positioniert ist. Dabei spielt die Art und Weisen, wie die Massai ihre Umwelt kennen und verstehen, eine wichtige Rolle beim Hinterfragen gängiger Naturschutzpraktiken und deren Dekolonialisierung. Die Studie, die sowohl politische, sozioökonomische, kulturelle als auch ökologische Faktoren berücksichtigt, ermöglicht eine solide/ robuste Analyse der aktuellen und zukünftigen Fragilitäten und Konfliktrisiken durch ein Verständnis der Ziele und Interessen aller Akteure.

Die Studie verfolgt einen post-humanistischen Ansatz, indem das Wissen der Massai sowie Umweltfaktoren in die Analyse einbezieht. Durch den Einsatz der Akteursanalyse in einer qualitativen Fallstudie zur Kommerzialisierung der Mensch-Natur-Beziehung wird die Studie einen wichtigen Beitrag zu Policy- Analyse des anhaltenden Konflikts leisten, in dem sich die Interessen von Maasai-Gemeinschaften, Naturschutz, Kommodifizierung und (Öko)Tourismusindustrie überschneiden.