Territorium in neoextraktivistischen Konflikten aus einer feministischen Perspektive neu denken

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 4
Autor*innen
Rosa Philipp (Universität Bern)
Kurz­be­schreib­ung
Am Beispiel des Widerstands gegen ein Megaprojekt im Süden von Mexiko wird der Begriff des Territoriums aus feministischer Perspektive neu gedacht und das emotionale Verständnis, das das alltägliche Verständnis von Territorium mit der Nutzung von Territorium im politischen Kampf verbindet, betont.

Abstract

Im Beitrag geht es darum, wie Frauen, die sich unterschiedlich am Widerstand gegen das Infrastrukturprojekt Interozeanischer Korridor beteiligen, ihr Territorium verstehen. Dieser soll am Isthmus von Tehuantepec in Mexiko gebaut werden, um den Atlantischen und den Pazifischen Ozean zu verbinden. Das Infrastrukturprojekt umfasst verschiedene Vorhaben, die die “Entwicklung” der Region stärken sollen, z. B. durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das Projekt hat die lokale Bevölkerung polarisiert und Proteste ausgelöst. In Lateinamerika hat der Widerstand gegen solche (neo‑)extraktivistischen Infrastrukturprojekte und die damit einhergehenden Umweltkonflikte sowie die Verteidigung von Land und Territorium (Defensa de la tierra y el territorio) an Bedeutung gewonnen. Bei dieser Verteidigung spielen indigene Gruppen und Frauen eine wichtige Rolle. Territorien sind in diesen Kontexten stark umkämpft und werden verteidigt. Territorium wird auch von indigenen feministischen Aktivistinnen aus Lateinamerika genutzt, die von einer Verbindung zwischen Körper und Territorium ausgehen, wobei das Territorium selbst in einer ganzheitlichen und spirituellen Weise verstanden wird. Indem sie ihr Land und ihr Territorium verteidigen, politisieren die Frauen ihren Körper und sehen sich selbst als Teil ihres Territoriums (Konzept des cuerpo-territorio). Mit dem Schwerpunkt auf das Konzept cuerpo-territorio beschäftige ich mich mit dem alltäglichen und dem politisierten Verständnis von Territorium am Beispiel der Frauen am Isthmus von Tehuantepec. Ich habe mehrere Monate vor Ort verbracht und aus einer feministischen Perspektive heraus Interviews geführt, in denen ich die Bedeutung des Territoriums für das tägliche Leben, die Traditionen und den politischen Diskurs verschiedener Frauen aus mehreren Generationen und Dörfern beobachten konnte. Die Analyse zeigt und betont das emotionale Verständnis von Territorium, das das alltägliche Verständnis von Territorium, die Praktiken und die Traditionen mit der Nutzung von Territorium im politischen Kampf gegen das Infrastrukturprojekt verbindet. Die Aktivistinnen fördern in ihrem Widerstand die Praktiken in Zusammenhang mit dem Territorium und stärken die Verbindung der Menschen mit ihrem Territorium.