Tourist*innen und/oder Bewohner*innen: Von wem sollen Freiräume für Muße und Erholung in der Stadt genutzt werden? Eine Analyse von Tourismuskonzepten für Barcelona, Freiburg und Paris
Abstract
Ein sehr starkes Wachstum des Tourismus hat zahlreiche europäische Großstädte seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert geprägt. Immer mehr Reisende und ein fortschreitender Ausbau touristischer Infrastrukturen in der Stadt hat zu vielfältigen Belastungen geführt, mit denen sich Bewohner*innen konfrontiert sehen, was vielerorts zu Konflikten und Protesten geführt hat. Der damit verbundene Druck auf lokalpolitische Akteur*innen hat in einigen Städten zu einem Umdenken geführt, das auch in neuen Konzepten für die Tourismusentwicklung seinen Ausdruck findet. Dabei geht es in der Regel darum, die Interessen und das Wohlbefinden der lokalen Bevölkerung zu priorisieren oder zumindest einen Ausgleich zwischen deren Interessen und denen der Tourist*innen zu finden und entsprechende Synergieeffekte zu nutzen. Auch wenn der Städtetourismus infolge des Ausbruchs der Corona-Pandemie vorübergehend beinahe zum Erliegen gekommen ist und von „Undertourism“ oder „Nontourism“ die Rede war, so lässt es die aktuelle Entwicklung der touristischen Kennzahlen doch erkennen, dass die Reisebranche auf dem besten Weg ist, wieder das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie zu erreichen.
In unserem Vortrag präsentieren wir die Ergebnisse einer Analyse von Tourismuskonzepten für Barcelona, Freiburg und Paris. Dabei richtet sich der Fokus darauf, inwiefern es in den Konzepten vorgesehen ist, dass Freiräume für Muße und Erholung (z.B. in Parks oder Grünanlagen) von Bewohner*innen und/oder Tourist*innen genutzt werden. Die Bedeutung und Notwendigkeit entsprechender Freiräume zeigt sich insbesondere im Kontext von Massentourismus und New Urban Tourism, da der mit diesen Phänomenen verbundene touristische Nutzungsdruck im städtischen Raum zur Folge hat, dass Bewohner*innen und Reisende hin und wieder das Bedürfnis empfinden, einen Rückzugsraum aufzusuchen, um einen Moment lang innezuhalten und sich ein Stück weit vom Trubel in der Stadt zu distanzieren.
Eine vergleichende Betrachtung der Tourismuskonzepte für die drei Städte zeigt, dass jeweils unterschiedliche Ziele verfolgt und Maßnahmen ergriffen werden sollen. Dies betrifft auch den Umgang mit den Interessen von Bewohner*innen und Gästen, der in den Konzepten auf unterschiedliche Weise betrachtet und bewertet wird. In diesem Sinne lassen sich die Tourismuskonzepte als diskursive Artikulation von Vorstellungen verstehen, die aus den Aushandlungsprozessen zwischen Akteur*innen aus Stadtpolitik, Tourismusgewerbe und Zivilgesellschaft hervorgegangen sind. Eine unterschiedliche Prioritätensetzung und diskursive Rahmung in den Tourismuskonzepten für die drei Städte verdeutlicht, wie die lokalen Machtverhältnisse strukturiert sind, welche Positionierungen gegenüber dem Tourismus eingenommen werden und letztlich auch welche Vorstellungen eines künftigen Tourismus in der Stadt fixiert und möglicherweise auf dieser Grundlage verwirklicht werden.