Transformative Unternehmen: Erkenntnisse aus der holzverarbeitenden Industrie im Kanton Bern (CH)

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 7
Autor*innen
Miriam Hug (Universität Bern)
Heike Mayer (Universität Bern)
Irmi Seidl (Eidgenössische Forschungsanstalt WSL)
Kurz­be­schreib­ung
Transformative Unternehmen – Pionierfirmen, die sich für einen Wandel in Richtung starker Nachhaltigkeit engagieren – können grosse change agency haben. Dieses Forschungsprojekt untersucht transformative Unternehmen am Beispiel der holzverarbeitenden Industrie im Kanton Bern (CH) und unterscheidet zwischen fünf Unternehmenstypen.

Abstract

Die holzverarbeitende Industrie steht vor grossen Herausforderungen. Einerseits hat Holz das Potenzial, umweltschädliche Materialien zu ersetzen. Andererseits manifestieren sich grosse Herausforderungen wie Klimaerwärmung und Wirtschaftskrisen in Form von Stürmen, Schädlingsbefall oder Mangel an qualifiziertem Personal und starken Preisschwankungen. Obwohl sie in der wissenschaftlichen Diskussion bisher oft übersehen wurden, können kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMUs) – auch in der holzverarbeitenden Industrie – als Pioniere des Wandels neue Wege des Wirtschaftens aufzeigen. Solche Unternehmenspioniere, welche nach starker Nachhaltigkeit streben, werden als transformative Unternehmen bezeichnet. Allerdings ist wenig bekannt, welche besonderen Eigenschaften transformative Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie aufweisen, wie sich diese Pionierfirmen voneinander unterscheiden und welche change agency sie haben. Generell fehlt eine Mikro-Perspektive darauf, wie Unternehmen industrielle Pfade beeinflussen.

Dieses Forschungsprojekt untersucht transformative Unternehmen am Beispiel der holzverarbeitenden Industrie im Kanton Bern (CH). Es beleuchtet, welche Charakteristiken transformativer Unternehmen hier ausgeprägt sind und inwiefern der industrielle Kontext transformative Praktiken ermöglicht beziehungsweise erschwert. Ausgehend von einem Inventar potenziell transformativer Unternehmen wurden im Frühjahr und Sommer 2021 24 halbstrukturierte Interviews mit holzverarbeitenden KMU im Kanton Bern durchgeführt. Basierend darauf unterscheiden wir zwischen fünf Unternehmenstypen, welche in unterschiedlichem Ausmass als transformativ bezeichnet werden können und deren change agency verschieden gross ist: Aspekte starker Nachhaltigkeit sind bei den silent ecologists übervertreten. Gleichzeitig werden diese im Zuge von Kostendruck und Rationalisierung zunehmend unwirtschaftlich und sind von der Schliessung bedroht. Die social pioneers leisten auf Ebene der Firmen und Gemeinden einen wichtigen Beitrag zu (sozialer) Nachhaltigkeit, kämpfen jedoch auch ums Überleben. Gleich ergeht es den visionary nonconformists, welche auf den Idealismus der Beteiligten angewiesen sind. Letzterer birgt jedoch das Potenzial, zukünftig grössere Veränderungen jenseits der Unternehmensebene anzustossen. Am wenigsten Veränderungen gehen von der Gruppe der pragmatist traditionalists aus. Wie diese sind auch die ambitious entrepreneurs auf den Unternehmensgewinn bedacht. Sie hingegen setzen dabei auf neue Wege, lösen sich von traditionellen Haltungen und engagieren sich in der Branche für Wandel. Daher kann ihnen die grösste change agency zugeschrieben werden. Die holzverarbeitende Industrie steht vor der Herausforderung, wirtschaftliches Überleben und starke Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Dabei wäre es wichtig, bisher wenig beachtete Eigenschaften von transformativen Unternehmen zu stärken. Unternehmen mit grosser change agency haben hier besonderes Potenzial.