Umkämpfte (Be-)Greifbarmachungen: Die emotionalen Praktiken und Politiken der Verortung von Klimawandel/Klimakrise
Abstract
Der vorliegende Beitrag untersucht die emotionalen Praktiken und Politiken der Verortung von Klimawandel/Klimakrise sowie ihre Bedeutung für gegenwärtige klimapolitische Aushandlungsdynamiken. Er analysiert Verortungsprozesse als spezifische, vielfach über emotional-affektive Register operierende und umkämpfte (Be‑)Greifbar- und Erfahrbarmachungen von Klimawandel/Klimakrise, die Subjektivierungsdynamiken und Aktionspotentiale kanalisieren können. Bestehende Forschungsarbeiten markierten die Bedeutung gelebter, verkörperter und emotional-affektiver Zugänge zu Klimawandel, mobilisierten diese als Korrektiv gegenüber dominanten wissenschaftlich-technischen Konzeptionalisierungen und diskutierten auch die Relevanz von place/Ort als Domäne der Erfahrbarwerdung von Klimawandel. Der vorliegende Beitrag knüpft an solche Debatten um die (räumlichen) Epistemologien des Klimawandels an. Dabei soll es aber nicht nur darum gehen, Ort als Zugang zu alltäglich-gelebten Erfahrungen von Klimawandel zu nutzen. Vielmehr untersucht der Beitrag dynamische und umkämpfte Prozesse der Verortung von Klimawandel. Diese werden vor dem Hintergrund gegenwärtiger klimapolitischer Aushandlungsprozesse interpretiert und als Elemente der emotionalen Politiken des Klimawandels rekonstruiert. Der Beitrag greift hierzu auf empirische Daten aus drei heterogenen Fallstudien zurück. Analysiert werden zum einen (1) die klimapolitischen Kämpfe in und um das Dorf Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier, deren Dynamik stark von affektiven Raumproduktionen geprägt ist – bspw. die (mobilisierenden) Territorialisierungen der Klimakrise im Zuge der Verortung der globalen klimapolitischen 1,5 Grad Temperaturschwelle in der Tagebaukante vor Lützerath. Reflektiert wird zum zweiten (2) ein mit Bundesmitteln gefördertes klimapolitisches (Bildungs‑)Programm mit dem Titel „Klimagesichter“, welches Menschen mit Fluchthintergrund aus dem Globalen Süden zu „Klimabotschafter*innen“ ausbildet, um – im Kontext interkultureller Kommunikation –dem Klimawandel „ein persönliches Gesicht“ zu geben. Hierbei wird Klimawandel in migrantischen Körpern verortet/lokalisiert, deren emotionale Erfahrungen Klimawandel für Adressat*innen im Globalen Norden fühlbar machen und darüber auch translokale Beziehungen stärken sollen. Zum dritten (3) analysiert der Beitrag die emotional-affektiven Praktiken gegenwärtiger klimaaktivistischer Bewegungen und deutet diese als eine Kultivierung emotionaler Zugänge zur Klimakrise, die mit der Produktion von Orten der Erfahrung mehr-als-menschlicher Verflechtungen einhergeht. Die Analysen dieser sehr heterogenen emotional-affektiven Verortungspraktiken – Territorialisierungen, Verkörperungen, Fühlbarmachungen – liefern wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf die epistemologisch-politische Frage nach den „Orten“ von Klimawandel/Klimakrise innerhalb gesellschaftlicher Praxis sowie im Hinblick auf die Frage nach den Potentialen für sozial-ökologische Transformationen.