Umweltbezogene Gerechtigkeit: (K)ein Thema in ländlichen Räumen?

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 9
Autor*innen
Luisa Geldbach (BTU Cottbus-Senftenberg)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag untersucht die Bedeutung von Fragen umweltbezogener Gerechtigkeit für ländliche Räume in Deutschland sowie die Frage, inwieweit durch die Perspektive, aus der Daten erhoben werden, für ländliche Räume relevante Belastungen und Konflikte übersehen werden.

Abstract

Ländliche Räume spielen bei der Versorgung von Städten (z. B. mit Nahrungsmitteln oder Energie) eine zentrale Rolle. Auch im Rahmen der Großen Transformation wird der Flächendruck auf ländliche Räume, u. a. durch die Dezentralisierung der Energieversorgung und den Ausbau erneuerbarer Energien, weiter zunehmen und damit auch die Betroffenheit der Menschen in ländlichen Räumen durch daraus resultierende Umweltbelastungen. Gleichzeitig stellen die gerechte Umsetzung der Großen Transformation und der Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels zentrale Aufgaben für unsere Gesellschaft dar.

Die deutschsprachige Forschung zu ländlichen Räumen konzentriert sich bisher häufig auf Fragen zur Sicherung der Daseinsvorsorge und der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen. Umweltbelastungen und -konflikte werden dabei kaum berücksichtigt und kritisch untersucht. Hier setzt das Forschungsvorhaben an und versucht Umweltkonflikte und -belastungen in den Fokus zu rücken. Während für Städte relevante Umweltbelastungen weitgehend bekannt sind und untersucht werden, spielen diese in ländlichen Räumen nur vereinzelt eine Rolle. Anders stellt sich die Situation in der englischsprachigen Forschung dar. Hier werden seit den Anfängen der Umweltgerechtigkeitsforschung in den 1980er Jahren explizit auch Umweltkonflikte und -belastungen in ländlichen Räumen thematisiert. Zuletzt wurde die Forderung laut, Ländlichkeit als eigenständige Benachteiligungs-Dimension in der Diskussion um Umweltgerechtigkeit zu berücksichtigen.

Der Beitrag geht der zentralen Frage nach, inwieweit Umweltbelastungen und -konflikte in ländlichen Räumen mit Hilfe vorhandener Geodaten (zur Verfügung gestellt z. B. von Bundesbehörden und Forschungsinstituten) erfasst werden können und welche Aspekte umweltbezogener Gerechtigkeit dabei eine besondere Rolle spielen. Darüber hinaus wird vertiefend untersucht, welche Wissenspolitiken hinter der Erhebung und Auswertung von Umweltdaten stehen und was dies für die Anerkennungsdimension ländlicher Räume in Bezug auf Umweltgerechtigkeit bedeutet. Welche Umweltbelastungen werden regelmäßig und flächendeckend erhoben? Welche Emissionsquellen stehen dabei besonders im Fokus und wo gibt es blinde Flecken in der Datenerhebung und -verfügbarkeit? Hier setzt der Beitrag an und versucht nicht nur die Bedeutung bestimmter Umweltbelastungen und -konflikte für unterschiedlich geprägte Räume anhand einer Geodatenanalyse herauszuarbeiten, sondern auch bestehende Umweltdaten qualitativ zu untersuchen und zu hinterfragen, mit welchem Fokus sie erhoben und ausgewertet werden. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, wo Lücken in der Datenerhebung bestehen.

Der Beitrag entsteht im Rahmen meiner Dissertation und stellt den ersten empirischen Schritt zur Annäherung an das Thema umweltbezogener Gerechtigkeit in ländlichen Räumen dar. Die Auswertung der Datensätze und deren qualitative Untersuchung wird noch bis Sommer 2023 andauern.