United in humanity? Das Konzept der Menschenwürde und seine Bedeutung für den Geographieunterricht

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
SH 0.105
Autor*innen
Jochen Laub (RPTU Kaiserslautern-Landau)
Kurz­be­schreib­ung
Die Menschenwürde stellt den Kern der humanistischen Vorstellung von Gesellschaft dar. Der Beitrag befasst sich mit der Bedeutung der Menschenwürde als ethischer Orientierung für den Geographieunterricht, insbesondere dem Umgang mit der Spannung zwischen dem idealistischen Charakter und der beobachtbaren Missachtung der Würde und Rechte von Menschen in der Welt.

Abstract

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 kann als fundamentale Formulierung von Rechten für ein humanes globales Zusammenleben gelten (UN 1948). In ihr werden zentrale Freiheits- und Persönlichkeitsrechte fixiert, so etwa die Rechte auf Rede- und Glaubensfreiheit, Freiheit und Sicherheit der Person, der Gleichheit aller Menschen und des Schutzes vor Unterdrückung und Folter.

Die Menschenrechte sind eng mit dem Konzept der Menschenwürde verbunden (Habermas 2010). Bereits in § 1 der Menschenrechtserklärung wird dies zum Ausdruck gebracht. Die Idee einer Würde (dignitas humana), die jedem Menschen eigen ist, kann als Kern des Humanismus verstanden werden und betrifft das gute, nämlich menschliche Zusammenleben in der Gesellschaft (Nida-Rümelin, 2016). Dabei sind wir als Menschen auf andere verwiesen und treten ihnen mit Rechten und Pflichten gegenüber (Butler 2014, Sen 2021). Dass dies besondere Bedeutung für den Geographieunterricht hat, verdeutlicht bereits die knappe Ausführung Otfried Höffes zum Begriff der Menschenwürde: „Insofern ist es ein langer und noch lange nicht abgeschlossener Prozess: daß der Mensch seine Welt entdeckt, den vollen Gehalt der Entdeckung ausschöpft und ihn rundum anerkennt. In diesem Prozess, einer Verbindung von Entdeckung und Anerkennung besteht die Geschichte des wahren, nicht auf Gelehrsamkeit verkürzten Humanismus.“ (Höffe 2002, 170)

So grundsätzlich und unverhandelbar Menschenrechte und Menschenwürde auch zu sein scheinen, so stark zeigen sie sich in der Praxis verletzt oder gebrochen (Kinderarbeit, Armut, …). Gerade im Umgang mit jungen Menschen im Geographieunterricht wirft dies viele Fragen auf. Einerseits Fragen nach der Rolle von Menschenrechten und Menschenwürde als ethischem Regulativ (siehe Haubrich 1990; Gryl, Könen & Pokraka 2017), das keinen reinen „Lerninhalt“ darstellt. Andererseits Fragen nach dem Umgang mit der Spannung zwischen ihrem idealistischen Charakter und den real beobachtbaren Missachtungen der Würde und Rechte von Menschen.

Der Beitrag möchte zunächst einen Blick auf das Konzept der Menschenwürde werfen und dabei relevante problemgeschichtliche Fragen des humanistischen Diskurses aufzeigen, die insbesondere das 20. Jahrhundert aufwirft (Horkheimer & Adorno 2000). Anknüpfend wird diskutiert, welche Orientierungen die Geographiedidaktik und Geographieunterricht aus metaethischen Konzepten, etwa dem der Menschenwürde, ziehen kann. Dabei wird eine pädagogische Differenzierung zwischen Erkenntnissen und Anerkenntnissen (Petzelt 2018) eingeführt und deren Bedeutung für geographiedidaktische Reflexion und unterrichtliches Handeln dargestellt (Mikahil 2016). Abschließend soll die Rolle des Geographieunterrichts als Keimzelle der diskursiven Auseinandersetzung um Geltungsfragen von Menschenrechten (und auch Naturrechten) näher betrachtet werden, die auch gesellschaftliche Transformationsprozesse in Gang bringen kann.