Urbane Ernährungssysteme zwischen Ernährungssicherung und nachhaltiger Transformation: Herausforderungen der Ernährungspolitik im Globalen Süden am Beispiel Nairobis

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 1.109
Autor*innen
Linda Hering (Humboldt-Universität zu Berlin)
Alexander Kohrs (TU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Nachhaltige Stadtentwicklung steht im Globalen Süden vor besonderen Herausforderungen, sind u.a. die räumlichen Infrastrukturen, politischen Institutionen und das urbane Ernährungssystem durch Fragmentierungsprozesse durchzogen. Am Beispiel von Nairobi sollen Möglichkeiten und Grenzen nachhaltiger Stadternährung ausgelotet werden.

Abstract

Im Zuge der anhaltenden Globalisierung schreitet die Urbanisierung voran. Die daraus resultierenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Krisen setzen urbane Räume unter Druck sich nachhaltig zu entwickeln, um resilienter zu werden. Klassische Themen der Forschung sind enormer Ressourcenverbrauch, wachsende Ungleichheit und Umweltverschmutzung (Wiskerke 2015, 3-5). Unbestreitbar ist, dass städtische Entwicklungspfade seit jeher eng mit der Ernährungsversorgung und mit der Herausbildung von Ernährungssystemen verbunden sind (Steel 2013: 13). Allerding erhält die Thematik erst kürzlich die wissenschaftliche Aufmerksamkeit, die ihr funktionsgemäß zusteht. Dieses Umdenken zeigt sich auch in der praktischen Ernährungspolitik. So ist Nairobi z.B. Mitglied im Milan Urban Food Policy Act und die besondere Relevanz des Ernährungssystems für die sozial-ökologische Transformation wurde in der Nairobi City County Food System Strategy festgeschrieben.

Urbane Ernährungssysteme sind in sich komplexe Geflechte, die entweder intern (z.B. neue Technologien) getrieben oder durch externe Faktoren (z.B. Klimawandel) forciert werden (von Braun 2023). In der kenianischen Hauptstadt leben derzeit knapp 5 Mio. Menschen. Mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung lebt in Armut und ca. 2 Mio. geben mehr als 50% ihres monatlichen Einkommens für Essen aus. Zudem kann sich ein Drittel der Bevölkerung aufgrund zu hoher Preise keine ausgewogene, gesunde Ernährung leisten (Owuor 2019). Hunger und gesundheitliche Problem aufgrund von Fehlernährung gehören für einen Großteil der Bevölkerung zum Alltag (Owuor et al 2017, 27). Die aufgeführten Zahlen verweisen darauf, dass dieser Zustand zum großen Teil durch fehlende Finanzierbarkeit (affordability) und nicht zwangsläufig dem Mangel an Nahrungsmitteln (availability) erklärt werden kann. So sind die wichtigsten Grundnahrungsmittel selbst in informellen Siedlungen fußläufig an kleinen Kiosken zu erwerben, sind aber teurer und die Abpackungen kleiner als auf den wet markets oder Supermärkten (Downs et al 2022, 3-5;). Eine Studie der NGO TradeCareAfrica untermauert zudem die Fragmentierung der nationalen wie städtischen Ernährungspolitik: “over 22 food safety and quality legislations under different implementation agencies, creating fragmentation and the lack of clear responsibilities for the enforcement of food safety both nationally and sub-nationally.” (TCA 2022, 5).

Nairobis Ernährungssystem ist in mehrfacher Hinsicht von Fragmentierung durchzogen (gesellschaftlich, politisch und ökonomisch). Dies hat Konsequenzen auf die Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen hin zu einer nachhaltigen Stadt(ernährung), insbesondere da aus zivilgesellschaftlicher Perspektive insbesondere Problemen der Ernährungssicherung vorrangig behandelt werden sollten. Anhand einer interdisziplinäreren Perspektive soll erläutert werden, wie soziale Konstellationen und räumliche Organisation zusammen hängen und sich auf die Transformationsfähigkeit auswirken.