Viv dan Lakorite!? Perspektiven auf sutopische Projekte und Neolocalism auf Mauritius
Abstract
Als Antwort auf die aktuellen sich überlagernden Krisen ist zu beobachten, dass in vielen Ländern Bauprojekte entstehen, die inklusive und zukunftsfähige Lebensstil-Möglichkeiten versprechen. An diesen Projekten – die wir als Utopien/Sutopien bezeichnen – sind gut vernetzte Eliten beteiligt. Sie imaginieren, planen und realisieren Visionen eines nachhaltigen gesellschaftlichen Zusammenlebens, geprägt vom Glauben in Technologien und ermöglicht durch enormes Kapitalvolumen. Gibson (2019) stellt fest, dass solche Settings als territoriale Verankerungen exzessiver Kapitalströme ein hochaktuelles Themenfeld kritischer Tourismusgeographie darstellen, denn: „Tourism is utterly imbricated in the spatio-temporal dynamics of contemporary capitalism, writ large“ (Gibson 2019, 5). Entsprechend dieser Perspektive wird Tourismus nicht als isoliertes Phänomen, sondern als integraler Bestandteil gesellschaftlicher Prozesse und Dynamiken verstanden (vgl. Müller 2019). Das Ziel ist, die Rolle und Bedeutung von Tourismus für sutopische Projekte im Kontext lokaler Machtkontexte zu verstehen.
Große Aufmerksamkeit erfahren derzeit Mega-Projekte u.a. in den Golfstaaten (z.B. The Sustainable City/Dubai, NEOM/Saudi Arabien), die von internationalen Akteuren gefördert und im Science-Fiction Stil medienwirksam inszeniert werden. Sutopien entstehen aber auch in kleinen Inselstaaten wie Mauritius, welches sich als Fallstudie sehr gut eignet, um zukunftsweisende, nachhaltige Lebensräume zu analysieren. Der politischen Agenda folgend soll Mauritius zu einer Sustainable Island transformiert werden. Zum einen entstehen Smart Cities (z.B. Beau Plan; Moka), die als urbane Utopien auf ehemaligen Zuckerrohrplantagen gebaut werden und neben wohlhabende Einheimischen auch ausländische Investoren anziehen sollen; zum anderen werden unzählige Luxuswohnanlagen oft als Teil multifunktionaler Eco-Tourism Settings (z.B. Bel Ombre) gebaut. Diese von Akteuren der ehemaligen kolonialen Elite initiierten Bauprojekte, versuchen nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch sozial inklusiv zu sein. Dazu werden soziale und kulturelle Aspekte des alltäglichen Lebens und die Integration lokaler Communities gefördert.
In unserem Beitrag analysieren wir Sutopien auf Mauritius durch die Brille der Critical Sustainabilities (Greenberg 2013, 2018, Sze 2018), die wir mit Überlegungen zum Local Turn bzw. Neolocalism (u.a. Ingram et al. 2020; Higgins-Desbiolles u. Bigby 2021) sowie Geographies of Encounter ergänzen. Auf Basis empirischer Erhebungen hinterfragen wir, inwiefern unterschiedliche Facetten von lokalen Nachhaltigkeitsdiskursen bedient werden, wobei Strategien der vernacular sustainability die größte Relevanz haben. Dekonstruiert werden normativ-ideologische Versprechungen einer lokalen, sozialen und kulturellen Teilhabe, um zu reflektieren, inwiefern in diesen Kontexten koloniale Kontinuitäten sichtbar werden.