Von Stadtmenschen, die alles bestimmen und Ausländer*innen, die alles bekommen: Ruraler Populismus in Erzählungen zur Stadt-Land-Differenz

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 0.101
Autor*innen
Larissa Deppisch (Thünen-Institut)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag untersucht, inwiefern sich ideologische Momente des ruralen Populismus der AfD in Erzählungen der Bevölkerung ländlicher Räume wiederfinden. Als Datengrundlage dienen zehn Gruppendiskussionen in ihren AfD-Wahlergebnissen und strukturell unterschiedlicher ländlicher Räume.

Abstract

Die Alternative für Deutschland (AfD) nutzt immer wieder ländliche Räume im Rahmen ihrer populistischen Strategie. So postuliert der ehemalige AfD-Politiker Andreas Kalbitz anlässlich der AfD-Wahlerfolge in Brandenburg und Sachsen 2019: „Wenn Sie sich das in der regionalen Aufteilung anschauen, stellen Sie fest, dass wir überall da stark geworden sind, wo sich die Menschen abgehängt fühlen. […] Das ist eine logische Konsequenz des Umstandes, dass Rot-Rot den ländlichen Raum abgehängt hat, jahrzehntelange verfehlte Politik gemacht hat“ (Phoenix 2019). Dabei schießt Kalbitz entsprechend populistischer Rhetorik gegen die Elite in Form der Rot-Roten-Regierung, die das Volk – hier die ländliche Bevölkerung – im Stich gelassen hätte und erhebt implizit den Vertretungsanspruch durch die AfD. Auch im Parteiprogramm zur Bundestagswahl 2017 kritisiert die Partei, die Regierung habe den ländlichen Raum nicht effektiv gefördert und verspricht gleichwertige Lebensverhältnisse. Sie wolle Infrastrukturverbesserungen vornehmen und Kommunen mehr Handlungsmacht erteilen (Deppisch 2022). Damit wirbt die AfD explizit um die Stimmen aus ländlichen Räumen.

In meinem Beitrag knüpfe ich an jenen durch die AfD entworfenen ruralen Populismus an und stelle die Frage, inwiefern sich jene Aspekte in Diskursen der ländlichen Bevölkerung wiederfinden. Hierfür greife ich auf zehn Gruppendiskussionen zu den Themen Daseinsvorsorge, wirtschaftliche Lage und AfD zurück, die in strukturell unterschiedlichen ländlichen Räumen Deutschlands geführt wurden. Neben Regionen, in denen die AfD bei den Bundestagswahlen 2017 und 2021 überdurchschnittlich abgeschnitten hat, werden auch als Vergleichsfälle Regionen herangezogen, in denen die AfD nicht punkten konnte. In meiner Analyse stelle ich dar, wie die Differenz zwischen Stadt und Land gezogen und besetzt wird. Dabei lege ich ein besonderes Augenmerk auf rechtspopulistische Ideologiemomente in Form eindimensionaler Volk-Elite- sowie Volk-Fremde-Konflikten (Wolf 2017). Gleichzeitig zeige ich auch auf, inwiefern hinsichtlich Verantwortlichkeiten für das gezeichnete Stadt-Land-Verhältnis differenziert und rechtspopulistische Momente in kollektiven Erzählungen zurückgewiesen werden.

Literatur

Deppisch, Larissa (2022): “Die AfD und das ‘Dornröschenschloss’ - über die (Be‑)Deutung von Peripherisierung für den Rechtspopulismuszuspruch”. In: Daniel Mullis und Judith Miggelbrink (Hrsg.): Lokal extrem Rechts Analysen alltäglicher Vergesellschaftungen, Bielefeld: transcript, S. 103-121.

Phoenix (2019): AfD: Pressekonferenz zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am 02.09.19. Online: https://www.youtube.com/watch?v=0ub2rMEZg4U&start=955 (19.11.2019).

Wolf, Tanja (2017): Rechtspopulismus: Überblick über Theorie und Praxis, Wiesbaden: Springer VS.