Ruraler Populismus: Neoliberale Globalisierung, Transformation und regressive Diskurse (1/2)

Fachsitzung
Sitzungs-ID
FS-377
Sitzungsreihe
Gehe zu: Teil (2/2)
Termin
Donnerstag (21. September 2023), 14:30–16:00
Raum
SH 0.101
Sitzungsleitung
Frank Meyer (Leipzig)
Paul Nguyen (TU Dresden)
Kurz­be­schreib­ung
Ruraler Populismus ist ein Phänomen, bei dem populistische Akteure Ländlichkeit mit bestimmten Werten und Gruppenbezügen verbinden. Die Sitzung will aktuelle Beispiele hierfür diskutieren.

Abstract der Sitzung

Populismus wurde und wird insbesondere für den Kontext Süd- und Nordamerikas und Europas beforscht. Mudde (2004: 544) definiert Populismus als „thin-centred ideology”, die durch eine Unterscheidung zweier homogener Gruppen, “the pure people“ und „the corrupt elite“, gekennzeichnet ist (vgl. ebd.: 543f.). Populistische Akteure nutzen aus dieser Perspektive rhetorische Bezüge, um Wertenormen aus Sicht spezifischer als legitim erachteter Gruppen zu artikulieren. Diese Gruppen und Werte werden häufig bspw. in regressiven Diskursen an eine ahistorische, idealisierte Vergangenheit und an einen als ursprünglich assoziierten Ort gekoppelt.

Dabei fällt auf, dass Populismus in und über ländliche/n Regionen eine spezifische Qualität zufällt: Ländlichkeit wird durch politische Akteure als Konzept mit bestimmten Werten assoziiert und im Rahmen eines Volk-Eliten-Gegensatzpaares artikuliert. Agrarische Wirtschafts- und Lebensweisen spielen hier häufig ebenso eine Rolle, wie Familien- und Naturbezüge. Ländliche Regionen werden dabei von populistischen Akteuren häufig z.B. als überhistorisch sowie naturnah (bspw. Lubarda 2020) konstruiert und als Gegenstand nationalen Interesses dargestellt (bspw. Alarcón Ferrari 2020). Demgegenüber werden urbane Regionen als Abweichung davon angesehen (bspw. Menke/Wulf 2020: 243).

Das Spannungsfeld zwischen diesem Stadt-Land-Gegensatz und populistischen Artikulationspraktiken stellt das zentrale Thema der Sitzung dar: Ländliche Regionen sind aktuell einer Vielzahl von Transformationsappellen ausgesetzt, die bspw. neoliberal globalisierten Wirtschaftsweisen, Raumentwicklungsleitbildern und demographischen Entwicklungen entstammen. Diese Transformationsappelle werden durch populistische Akteure aufgegriffen und in ein Krisennarrativ eingebaut (bspw. Menke/Wulf 2021). Die resultierenden populistischen Ländlichkeitskonstruktionen stehen aktuellen Entwicklungen gegenüber und sprechen abweichenden Zukunftsvisionen wie bspw. Anpassungen ruraler Wirtschaftsstrukturen teils ihre Legitimität ab. Rurale Populismen treten in globaler Perspektive dabei sowohl bei linken als auch rechten Akteuren auf, können sich jedoch gleichsam – je nach gesellschaftlichem Kontext – einer solchen Klassifizierung auch entziehen.

Wir wollen insbesondere empirische Beiträge zu folgenden Themen in der Sitzung versammeln, mittels derer wir die Ausprägungen ruralen Populismus global vergleichend analysieren können:

Ziel der Sitzung ist eine Gegenüberstellung verschiedenster ruraler Populismen und ihres Verhältnisses zu bestehenden Transformationsappellen.