Voraussetzungen für eine digitale Bereitstellung von Angeboten der Daseinsvorsorge und Potentiale für die Entwicklung dünn besiedelter ländlicher Räume: Das Beispiel nachschulischer Bildungsangebote der schwedischen Akademi Norr

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 9
Autor*innen
Jan Matthias Stielike (Universität Bonn)
Nathalie Tent (Universität Oldenburg)
Kurz­be­schreib­ung
Eine digitale Bereitstellung von Angeboten der Daseinsvorsorge ist an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft, bietet andererseits aber auch wichtige Potentiale, um gesellschaftliche Teilhabe und letztlich eine hohe Lebensqualität in ländlichen Räumen zu ermöglichen.

Abstract

In dünn besiedelten Regionen stößt die Sicherstellung der Daseinsvorsorge auf herkömmlichem Wege wegen der geringen Dichte möglicher Nutzer*innen auf Schwierigkeiten. Eine digitale Bereitstellung erlaubt die Entkopplung der Erstellung und Nutzung von Angeboten der Daseinsvorsorge und gilt daher als wichtiger Ansatz, um auch in dünn besiedelten Regionen eine ortsnahe Versorgung zu ermöglichen (vgl. u. a. Bjørnsen et al. 2013, S. 13; Stielike 2018, S. 184–185; Weingarten und Steinführer 2020, S. 659; kritisch: Küpper und Mettenberger 2020, S. 34). Der Beitrag zeigt, dass eine digitale Bereitstellung wichtige Potentiale bietet, aber auch an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft ist und Grenzen aufweist. Als Fallstudie dienen nachschulische Bildungsangebote der schwedischen Akademi Norr.

Nachschulische Bildungsangebote sind in der Regel stark spezialisiert, so dass die für eine Bereitstellung zu vertretbaren Kosten nötige Nutzer*innenzahl auf herkömmlichem Weg nur bei entsprechender Zentralisierung zu erreichen ist. Daraus resultierende schlechte Erreichbarkeiten sind in dünn besiedelten Regionen eine ernstzunehmende Zugangshürde (Humer et al. 2015, S. 85). Zugleich handelt es sich um Angebote, die für die Zukunft einer Region von hoher Bedeutung sind und Abwanderungs- bzw. Bleibeentscheidungen beeinflussen können.

Die Akademi Norr ist ein Zusammenschluss 13 nordschwedischer Gemeinden mit dem Ziel, Angebote der Hochschulbildung und Berufsbildung dezentral zugänglich zu machen. Dazu stellt die Akademi Norr bestehende Angebote kooperierender Bildungseinrichtungen sowie eigene Angebote über ein Videokonferenzsystem bereit. Lernzentren in den Kommunen gewährleisten den persönlichen Austausch zwischen den Lernenden und ermöglichen ein ortsnahes Ablegen von Prüfungen (Norberg et al. 2015). Die Untersuchung beruht auf themenzentrierten Interviews mit Schlüsselakteur*innen der Akademi Norr und ihres Umfelds.

Akademi Norr war erfolgreich, weil erstens die Leistung prinzipiell für die Digitalisierung geeignet ist und kein physischer Kontakt notwendig ist, zweitens die technische Umsetzung in Bezug auf Breitbandversorgung und Software unproblematisch war, drittens rechtliche Fragen geklärt waren, viertens die Finanzierung gesichert war, fünftens mit den Lernzentren eine Struktur gefunden wurde, die geeignet ist, auch ungeübte Lernende zu unterstützen, und sechstens das notwendige Know-how bei Lehrenden und Lernenden aufgebaut werden konnte. Schließlich herrschte unter den beteiligten Akteuren weitgehende Einigkeit darüber, das Projekt zum Erfolg führen zu wollen.

Das Beispiel der Akademi Norr zeigt, welche Potentiale die digitale Bereitstellung von Angeboten der Daseinsvorsorge für dünn besiedelte Regionen bietet. Die Möglichkeit, aus der Ferne an Bildungsangeboten teilzunehmen, hat zu einem verbesserten Zugang zu Bildungschancen und letztlich zu einer höheren Lebensqualität geführt.