Räumliche Implikationen der Digitalisierung von Daseinsvorsorge und Alltagsökonomien in ländlichen und urbanen Regionen
Abstract der Sitzung
Ob Arzttermin, Lebensmitteleinkauf oder Bankbesuch, lange Zeit mussten zur Nutzung von Daseinsvorsorgeleistungen und für den Konsum von Alltagsökonomien („Foundational Economies“) die Standorte der Erbringer bzw. Anbieter aufgesucht werden. Dementsprechend hing die Versorgungsqualität für die Bevölkerung stark davon ab, welche Leistungen in relativer Wohnortnähe zur Verfügung standen. Mit der immer schnelleren Entwicklung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien veränderte sich die Bedeutung physischer Nähe in vielen Alltagsbereichen grundlegend, auch mit Blick auf die Daseinsvorsorge und die Alltagsökonomien. Videosprechstunden bei der Hausärztin, digital bestellte und an die Haustür gelieferte Lebensmittel, oder der per „Smart Meter“ abgelesene Energieverbrauch sind Beispiele dafür, dass viele Daseinsvorsorge- und Dienstleistungen auch aus der Ferne zugänglich werden, sei es von Zuhause oder von dezentralen, kleineren Standorten aus. Im Umkehrschluss kann eine räumliche Verlagerung und Zentralisierung zugunsten bestimmter Orte stattfinden. Dies hat zur Folge, dass zwar die Versorgung gewährleistet ist und in ihrer Qualität gar erhöht wird, Beschäftigung und Wertschöpfung sich aber „aus der Fläche“ zurückziehen können, z.B. indem die Bankfiliale durch Onlinebanking ersetzt wird und der Kontakt zu Kund\*innen per Videotelefonie erfolgt.
Die Sitzung möchte diskutieren, wie sich die Digitalisierung von Daseinsvorsorge auf die Lebensverhältnisse in ländlichen und urbanen Regionen auswirkt. Zudem soll es um die Implikationen der Digitalisierung im Sinne einer neuen (de)zentralen Räumlichkeit von Angebot, Produktion und Nachfrage entlang alltagsökonomischer Wertschöpfungsketten gehen. Empirische oder theoretisch-konzeptionelle Beiträge können die folgenden Fragen adressieren:
- Welche neuartigen Ansätze zur Digitalisierung von Daseinsvorsorge lassen sich in bestimmten Regionen beobachten?
- Welche Intentionen verbinden die Erbringenden mit diesen Lösungen? Werden die Erwartungen erfüllt?
- Wie werden die neuartigen Angebote seitens der Nutzenden an- und wahrgenommen? Inwiefern tragen sie zu Veränderungen der Alltagspraktiken und Aktionsräume bei? Welche Anforderungen an Daseinsvorsorge ergeben sich aus Telearbeit?
- Inwiefern werden mit der Digitalisierung von Daseinsvorsorge Governance-Arrangements verändert oder neu initiiert? Welche Machtverhältnisse gibt es in diesen Konstellationen staatlicher, privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure?
- Welche Implikationen ergeben sich aus der Digitalisierung von Daseinsvorsorge für die Versorgungsplanung und Raumordnung? Inwiefern ändern sich die Notwendigkeiten, bestimmte Leistungen dezentral bereitzustellen? Inwieweit müssen die Rollen von Zentren bzw. von zentralen Orten neu gedacht werden?
- Welches sind die Implikationen für regionale Wertschöpfung vor dem Hintergrund der teils paradoxen Standortmuster (räumliche Ballung und Offshoring) der digitalen Wirtschaft?