Weckruf oder Snooze-Button: Die COVID-19-Pandemie als Impuls für eine resilientere grenzüberschreitende Kooperation in der Region SaarLorLux?

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Julia Dittel (Universität des Saarlandes)
Kurz­be­schreib­ung
Inwiefern kann die Covid-19-Pandemie als Impuls für eine gestärkte grenzüberschreitende Kooperation in der Region SaarLorLux verstanden werden? Ausgehend von theoretischen Überlegungen zu Border Studies und Resilienz beleuchtet der Beitrag die längerfristigen Implikationen der Gesundheitskrise.

Abstract

Lange waren nationale Grenzen innerhalb des Schengenraums im Alltag der Menschen in den Hintergrund gerückt. Grenzüberschreitende Praktiken – das Wohnen, Arbeiten oder die Freizeitgestaltung im Nachbarland – gehörten gerade für Grenzraum-Bewohner:innen zur Normalität. Es waren sog. borderlands entstanden, die sich durch ein hohes Maß der Verflochtenheit kennzeichnen. Mit der Covid-19-Pandemie ‚feierten‘ Grenzen ein unerwünschtes Comeback. Mit den im März 2020 eingeführten Kontrollen und teilweisen Schließungen von Grenzübergängen zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg wurde ein Passieren der Grenzen nur noch aus ‚triftigen Gründen‘ gestattet. Rückgebunden an Mehrebenenstrukturen wurden die Koordination und Kommunikation der Maßnahmen – vertikal und horizontal – notwendig. In dem historisch gewachsenen Verflechtungsraum SaarLorLux waren weitreichende Störungen des Alltags eine direkte Folge, entfalteten nationale rebordering-Prozesse doch praktische und symbolische Auswirkungen auf das (Zusammen‑)Leben in der Region. Die Gesundheitskrise förderte dabei neue Unsicherheiten und Herausforderungen zutage und wirkte wie ein Katalysator für bereits bestehende Hürden im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, mit denen in Nicht-Krisenzeiten ein routinierter Umgang etabliert war – etwa Fragen um die Doppelbesteuerung von Grenzgänger:innen, wozu bis dato nur Ausnahmeregelungen bestanden hatten und was bereits lange als ‚Zankapfel‘ im Raum gestanden hatte. 2022 – nicht zuletzt auch als Lehre aus der Pandemie – wurden Schritte zu einer endgültigen Regelung angestoßen.

Schnell wurden jedoch auch erste Lehren aus der Pandemie gezogen. Verantwortliche versprachen angesichts der Herausforderungen, die die neuerlichen Grenzziehungen für das borderland SaarLorLux mit sich gebracht hatten, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit künftig stärken zu wollen. Inwiefern werden sich diese kurzfristigen Lernerfahrungen jedoch auch perspektivisch im politisch-administrativen Handeln niederschlagen? Vor dem Hintergrund dieser Frage stelle ich in meinem Beitrag Einschätzungen zentraler politischer und administrativer Verantwortlicher von der EU- bis zur lokalen Ebene zu dazu vor, welche Lehren aus der Covid-19-Pandemie gezogen wurden und wie Zusammenleben und Zusammenarbeit in der Grenzregion perspektivisch im Sinne einer stärkeren, resilient(er)en Kooperation gestaltet werden können und sollen. Diese empirischen Ergebnisse ordne ich konzeptuell in aktuelle Ansätze der Border Studies rund um Fragen nach Grenzziehungen ein, gekoppelt an Überlegungen zu einem konstruktivistisch ausgerichteten Resilienzverständnis. In diesem Sinne werden verschiedene Faktoren identifiziert, die auf die Resilienz der grenzüberschreitenden Kooperation einwirken, um so auch konzeptuell einen Beitrag zu aktuellen Debatten der Border Studies zu leisten.