Wem zahle ich meine Miete? Zur Visualisierung von Eigentumsverhältnissen und Demystifizierung von Finanzialisierung in Leipzig-Connewitz

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Dennis Hof (BBSR)
Kurz­be­schreib­ung
Ausgehend von einer Fallstudie zu Wohnungserfahrungen auf Quartiersebene sollen Eigentumsverhältnisse visualisiert werden und diskutiert werden, inwieweit damit Wissen über die Prozesse und Zusammenhänge der Finanzialisierung von Wohnraum einer breiteren Bevölkerung zugänglich gemacht werden kann.
Schlag­wörter
Wohnungsforschung, Finanzialisierung, Wissenstransfer, Kritische Geographie, Visuelle Geographien

Abstract

Die Finanzialisierung von Wohnraum ist außerhalb der Fachdebatten ein abstraktes Konzept, mit dem jedoch reale Konsequenzen für das städtische Zusammenleben verbunden sind: Mieten werden immer teurer und bezahlbare Wohnangebote schwinden, während die wenigen verbleibenden innerstädtischen Freiflächen häufig hochpreisigen Neubauprojekten weichen müssen. Gleichzeitig ist für Mietende in einem alltäglichen Verständnis häufig nicht greifbar, wie für sie spürbare Veränderungen in ihrem städtischen Wohnen und Zusammenleben mit global und überregional tätigen Finanz- und Kapitalmarktakteuren zusammenhängen.

Zudem existieren aufgrund der hohen Intransparenz des deutschen Immobilienmarktes – auch aufgrund der beschränkten Möglichkeiten der Einsichtnahme in die Grundbücher – für die Öffentlichkeit gleichermaßen oft unüberwindbare Hürden, auf grundstücksscharfer Ebene substantielles Wissen über Eigentumsverhältnisse in Erfahrung zu bringen. So lässt sich kaum nachvollziehen, wie börsennotierte Wohnunternehmen, Private Equity und andere institutionelle Investoren als neue Eigentümer, Vermieter und Projektentwickler an Bedeutung gewonnen haben. Das faktische Nichtwissen über Immobilieneigentum, seine Verteilung und Veränderung verunmöglicht somit auch eine tiefgreifende öffentliche Debatte und Kenntnis über die Ausprägung der Finanzialisierung in Deutschland.

In den letzten Jahren haben sich zahlreiche zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Initiativen dieser Problematik unter der Leitfrage „Wem gehört die Stadt?“ angenommen. Der Beitrag will hieran anknüpfen und anhand einer laufenden kritisch-normativen Untersuchung in Leipzig-Connewitz („Wem gehört Connewitz?“) ein innovatives methodisches Vorgehen zur Rekonstruktion, Visualisierung und Vermittlung von innerstädtischen Eigentumsverhältnissen vorstellen und diskutieren. Die Fallstudie fußt auf (i) einem Adressdatensatz, der auf öffentlich und kommerziell zugänglichen Datenbanken wie Immoscout, IZ Research, DAF Map und Orbis basiert, aber auch eigenständige Vor-Ort-Kartierungen miteinbezieht; (ii) kollektiven Kartierworkshops mit wohnungspolitischen Initiativen zur Koproduktion vom Wissen über Eigentumsverhältnisse; (iii) 70 narrativen Interviews mit Bewohner:innen zu Wohnerfahrungen mit ihren Vermieter:innen.

Aufbauend auf diesen forschungspraktischen Erfahrungen in einem Stadtteil mit ca. 18.000. Einwohnern wird Immobilienbesitz webbasiert und interaktiv auf Adressebene dargestellt und mit den zahlreichen Geschichten aus den Interviews und Workshops verknüpft. Der Beitrag will damit zeigen und diskutieren, inwieweit durch eine mit qualitativen Daten unterfütterte Visualisierung von Eigentumsverhältnissen für das strategische Vorgehen und die Verwertungsmodelle von unterschiedlichen Eigentümer:innen sensibilisiert werden kann und damit ein Beitrag zu einer Demystifizierung von Finanzialisierung geschaffen werden kann.