Wer enteignet Familie Stuck? Die stille Macht privater Kleinvermieter*innen von Wohnraum in Deutschland
Abstract
Im Kontext der Mietwohnungsfrage absorbieren privatwirtschaftliche Wohnungskonzerne große Teile der Aufmerksamkeit, sowohl in der öffentlichen Debatte als auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Dabei bleibt der eigentliche Big Player weitgehend unter dem Radar: private Kleinvermieter*innen, die nicht zu Haupterwerbszwecken vermieten und keine Institutionalisierung aufweisen. Sie sind der mit Abstand größte Wohnungsmarktakteuer, und zwar in allen Siedlungsstrukturen: Sechs von zehn Mieterhaushalte überweisen ihre Miete an diese Einzelbestandshalter*innen. Selbst in Städten wie Berlin oder Dresden, die durch die größten Ausverkäufe charakterisiert sind, halten sie rund die Hälfte des Mietwohnbestandes. Die Kleinvermieter*innenvergessenheit – auch in Vergesellschaftungsdebatten – verwundert: Schon vor der Neoliberalen Revolution haben sich Mietpreise und Wohnkostenlasten in nur eine Richtung entwickelt. Forschungen deuten an, dass Privatvermietende eine ähnliche Vermietungspraxis verfolgen wie institutionelle Anbieter, z. B. bei der Auswahl ihrer Mieter*innen oder jüngst bei der Umgehung des Berliner Mietendeckels durch Schattenmieten. Eigenbedarfskündigungen, Indexmieten oder schlechtere Wohnungszustände sind spezifische Praktiken privater Privatvermieter*innen, die mit einem Fokus auf Wohnkonzerne nicht zielgenau adressiert werden.
Der Beitrag bietet eine Aufarbeitung zum Kenntnisstand dieses Wohnraumakteurs. Zum einen werden private Kleinvermietende entlang ausgewählter Merkmale (z. B. Mietpreisniveau oder Wohnzufriedenheit der Mietenden) profiliert. Zum anderen blickt der Beitrag schwerpunktmäßig aus einer ungleichheitssoziologischen Perspektive auf die Konstellation Vermietende ‚vs.‘ Mietende. Auf Basis quantitativer Sekundärdatenanalysen (SOEP) wird gezeigt, dass sich beide Gruppen a) sozialstrukturell, b) interessensbezogen (z. B. hinsichtlich der Parteipräferenz) und c), bezüglich ihrer politischen Repräsentanz konflikthaft gegenüberstehen. Damit sind ungleiche Machtchancen angesprochen, die bei der Verschiebung von Kräfteverhältnissen im Sinne von Vergesellschaftung von besonderer Bedeutung sind. Privatvermietende kommen auch selbst zu Wort: literaturgestützt und auf Basis erster eigener qualitativer Interviews werden Motive und Bedeutungen der Vermietungstätigkeit skizziert. Fragen der Vergesellschaftung und deren gesellschaftliche Unterstützung stellen sich so in einem anderem Licht, etwa in Verbindung zu Altersabsicherung oder Status. Die Präsentation beruht auf der fast abgeschlossenen Dissertation des Autors sowie fortgeschrittenen Ausarbeitungen im Rahmen eines geplanten Forschungsvorhabens gemeinsam mit Nicole Burzan (TU Dortmund).