Whiteheads Geographie: Denkweisen für eine prozessorientierte Kulturgeographie

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 14
Autor*innen
Elena Hubner (Leibniz Universität Hannover)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag erarbeitet auf Basis der Prozessphilosophie von Alfred North Whitehead für die Kulturgeographie ein prozessuales Raumverständnis, das jenseits der klassischen Dichotomie von dinglicher Materialität und sozialer Repräsentation liegt.

Abstract

Kann eine Raumwissenschaft wie Geographie ohne eine Vorstellung davon, wie materielle Räumlichkeit entsteht, funktionieren? Der Beitrag möchte die Frage mit einem klaren „nein“ beantworten, aber nicht für ein substanzielles, sondern im Sinne von Alfred North Whitehead für ein prozessorientiertes Raumverständnis eintreten.

Der Beitrag möchte einladen, die spekulative Universalphilosophie des Mathematikers und Philosophen Alfred North Whitehead für eine prozessorientierte Kulturgeographie fruchtbar zu machen. Whitehead ersetzt in seiner spekulativen das Denken in Substanzen radikal durch ein Denken in Prozessen, d.h. Wirklichkeit liegt ausschließlich im Modus des Werdens vor. Dies öffnet für die Kulturgeographie zwei, bisher nur wenig beachtete Tore theoretischen Reflektierens über das Zustandekommen vom Räumlichkeit:

(1) Da es nach Whitehead nichts in der Welt gibt, das nicht schon vorhanden ist, ist Wirklichkeit eine immer neue Zusammenstellung bestehender Fakten. Räumlichkeit kann so als multidimensionales Bild bestehender sozial-räumlicher Zusammenhänge verstanden werden, die unter je spezifischen Situationen eine je spezifische Ausprägung erhalten.

(2) Die Aktivität zum Prozess kann in der Prozessphilosophie whitehead‘scher Provenienz prinzipiell von allen Entitäten der Welt ausgehen. Es wird daher möglich, Räume in einem komplexen Verknüpfungsfeld von Gesellschaft, Raum und Individuum eine Position zuzuweisen, die jenseits der klassischen Dichotomie von dinglicher Materialität und sozialer Repräsentation liegt.

Der Vortrag folgt diesem, hier nur angerissenen, prozeduralen Verständnis von Räumlichkeit. Seine These ist, dass mit Hilfe von Whiteheads Philosophie grundlegend verstanden werden kann, wie räumlich-materielle Geographien im komplexen Interaktionsrahmen entstehen. Dazu stellt er ausgewählte Grundannahmen des prozessphilosophischen Denkens vor und stellt dann Überlegungen zu einer Geographie Whiteheads vor. Ziel ist es, Denkweisen einer prozessorientierten Kulturgeographie zu entwickeln, in der Raum kein Schreckgespenst, sondern ein spannendes Forschungsobjekt, ist.