Wie sieht der planerische Gestaltungsrahmen für die Transformation ländlicher Räume aus? Eine Bestandsaufnahme im Nordwesten Niedersachsens
Abstract
Der Beitrag untersucht die raumplanerische Praxis im Raum Weser-Ems hinsichtlich der Herausforderungen der Multiplen Krisen und des beschleunigten Wandels vor dem Hintergrund der bestehenden institutionellen Bedingungen. Er ist Teil des Projekt 4N des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur zur Transformation und zum Strukturwandel im ländlichen Raum Nordwestdeutschlands und zeigt die Besonderheiten des planerischen Gestaltungsbedarfs in ländlichen Räumen auf.
Der Untersuchungsraum soll als Schwerpunktregion der intensiven Landwirtschaft, des Nordseetourismus und der Energiewende exemplarisch aufzeigen, wie sich die Funktionszuschreibung der ländlichen Räume von Orten der Nahrungsmittelproduktion und der Erholung zu einer zunehmenden Bedeutung als Orte der Energiewirtschaft und des Natur- und Biotopschutzes gewandelt hat. Hier manifestiert sich ein zunehmender Flächendruck abseits der verdichteten Räume, welcher zu einer Verschärfung der Fragen nach gleichwertigen Lebensverhältnissen und einem gerechten Lasten- und Nutzenausgleich führt. So wirft beispielweise die Belastung durch neue technische Anlagen wie Windräder und Strommasten Fragen bezüglich der Verteilung der Wertschöpfung aus solchen Anlagen auf.
Im Sinne der Vorstellungen des WBGU zum gestaltenden Staates müsste der Raumplanung die Rolle einer Gestalterin für die „Große Transformation“ beikommen. Dieser droht sie aufgrund der Dynamik und Vielzahl der Herausforderungen und der strukturellen Bedingungen nicht gerecht zu werden. Aufgrund von Verfahrensdauer und Komplexität wird sie eher als Bremsklotz transformativer Prozesse wahrgenommen. Die bundespolitischen Antworten, wie neue Privilegierung nach § 35 BauGB, das Wind-an-Land-Gesetz und das LNG-Gesetz deuten an, dass die Umsetzung von als prioritär angesehenen Vorhaben ein höherer Wert beigemessen wird, als einer qualitativ guten Raum- und Umweltplanung. Trotz zunehmenden Gestaltungs- und Steuerungsbedarfs verliert die Raumplanung somit an Rückhalt und Bedeutung und büßt in der Folge an eigenen Handlungsspielräumen ein.
Vor dem Hintergrund der sich ändernden äußeren Rahmenbedingungen und der vorhandenen strukturellen Bedingungen muss sich die Raumplanung daher verschärft mit der Ausgestaltung der eigenen Spielräume durch experimentelle, flexible und pragmatische Gestaltungsansätze beschäftigen. Die Identifizierung verschiedener Einflussfaktoren auf die raumplanerischen Praxis im Untersuchungsraum soll als Diskussionsgrundlage für das nötige Selbstverständnis der Planung und den Möglichkeiten zur Rollenwahrnehmung der Planenden fungieren. Daran anknüpfend lassen sich verschiedene Entwicklungsperspektiven entwickeln, welche sich mit Implikationen aus der Governance-Forschung der Policy-Forschung und des Institutionalismus auseinandersetzen müssen.