Wie visualisiert man ein Recht auf Zentralität? Am Beispiel eines Smart Village Projekts
Abstract
Smart-Village-Projekte verändern den Alltag der Landbevölkerung durch technologische Entwicklungen in Raumplanung mit datengestützten und plattformbasierten Infrastrukturen. Darüber hinaus transformieren diese “smarten” Projekte die Lebensverhältnisse im ländlichen Raum. Die (verwaltungs‑)technische Umsetzung ist in der Regel mit einem Narrativ über technologische Partizipations- und Modernisierungsversprechen verbunden, während für Bewohner*innen politische Teilhabeprozesse sowie Selbstbestimmung eine wichtige Rolle spielen (Prien & Strüver 2021).
Ein Recht auf ein smartes Dorf, basierend auf Henri Lefebvres Recht auf Stadt, analysiert dieses Versprechen von Partizipation, Technologie und Modernisierung im Hinblick auf diskriminierungsfreie Zugangs- und Aneignungschancen. Im Zentrum steht dabei das Recht auf Zentralität, in seiner Form ein abstraktes und polysemantisches Konzept (Lefebvre 2016), das von Raumplanern als Maß für eine funktionalistische Versorgung mit zentralen Einzugsbereichen, z.B. mit öffentlichen Dienstleistungen, angesehen wird (Maier et al. 1977). Demgegenüber steht die Lefebvre’sche Zentralität, die es jedem “Punkt erlaubt, zentral zu werden” (Lefebvre 2016: 126), der als Gebrauchswert des von ihm produzierten sozialen Raums angesehen werden kann (Schmid 2010). Zentralität kann demzufolge der symbolische Ausdruck und die materielle Verfügbarkeit von Macht, Kontrolle und Ressourcenverteilung in sozioökonomischer wie kultureller Hinsicht sein, die in Beziehungen, Interaktionen und Prozessen im Alltag der Akteur*innen sichtbar werden. Während Lefebvres “Recht auf Stadt” ein „systematisch unsystematisches” (Belina & Michel 2007) Leitbild für die praktische Utopie sozialräumlicher Entwicklungsmöglichkeiten darstellt, ist es doch inhaltlich sehr dicht geschrieben und ohne ein vorheriges Verständnis von Lefebvres “dialektischer Vernunft (…) (und seiner) gebrochene(n), (…) pendelnde(n) und konflikthafte(n) Denkweise” (Lefebvre 2016: 132) nicht leicht zu verstehen.
Hier setzt der Vortrag “Wie visualisiert man ein Recht auf Zentralität?” an, indem Beispiele für die Kombination von quantitativen und qualitativen Geoinformationssystemen diskutiert werden. Die Operationalisierung von quantitativen und qualitativen Quellen soll es ermöglichen, den Alltag von Akteuren (z.B. Aneignungsmöglichkeiten), den politisch-planerischen Kontext (z.B. Motivationen für die Errichtung “smarter” Infrastrukturen) sowie die sozio-technischen Dimensionen (z.B. sozioökonomische Indikatoren, Versorgung) zu visualisieren. In dieser Hinsicht bietet qualitatives GIS ein breites Spektrum an explor ationsbasierten, iterativen und methodischen Ansätzen (Bittner & Michel 2018: 163), mit dem Vorteil, dichtes und komplexes Wissen durch seine Konzeptualisierung zu vereinfachen und Wissensproduktion auf vielfältige Weise zusammenzuführen (Elwood & Cope 2009). Im Lightning Talk möchte ich meine Dissertationserfahrungen, Möglichkeiten und Risiken diskutieren.