Wissenscampus von morgen: Kooperative Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 0.107
Autor*innen
Editha Marquardt (Universität Heidelberg)
Kurz­be­schreib­ung
Anhand der komplexen Governancestruktur sowie multipler Zeithorizonte im Heidelberger Masterplanprozess zum Wissenscampus „Neuenheimer Feld“ wird diskutiert, wie zukunftsbezogene Stadtentwicklung zugleich als Reibungsfläche der Auseinandersetzung mit aktuellen Krisen und Herausforderungen fungiert.

Abstract

Städte stehen heute vor großen Herausforderungen. Globale Krisen und deren mögliche Folgen müssen bewältigt, neue Herausforderungen vorhergesehen werden. Trotz der Ungewissheiten, die diese mit sich bringen, müssen in der Gegenwart stadtplanerische Entscheidungen getroffen werden, die die Entwicklung zukünftiger Jahrzehnte betreffen. Dieses Spannungsfeld will der vorgesehene Beitrag anhand eines breit angelegten Masterplanprozesses für einen Wissenscampus von morgen in Heidelberg thematisieren.

In der „Wissenschaftsstadt par excellence“ Heidelberg (Stamatiadis-Smidt 2012) spielen Universität, Wissenschaft und Forschung sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Bewusstsein der Bevölkerung und im Stadtmarketing eine herausragende Rolle. Mit dem Neuenheimer Feld, das eine Vielzahl universitärer und medizinischer Institute, verschiedene Forschungseinrichtungen sowie wissensnahe Unternehmen und Start-Ups an einem Standort versammelt, hat sich in der Stadt ein leistungsfähiger Wissenscampus entwickelt (Meusburger et al. 2011).

Um diesen Campus als Wissenschafts- und Forschungsstandort weiterzuentwickeln und für zukünftige Entwicklungen mit dem Zeithorizont 2050 vorzubereiten, wurde ein breit angelegter Masterplanprozess durchgeführt. Dafür entstand eine komplexe Governancestruktur aus den drei Projektträgern Stadt Heidelberg, Universität Heidelberg und Land Baden-Württemberg, externen Expert*innen sowie Stadtbevölkerung, insbesondere der benachbarten Stadtteile, und Akteur*innen des Campus. Im Masterplanprozess wurden nicht nur Strategien der Stadtentwicklung bearbeitet, sondern zugleich wurde der Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie Energie- und Mobilitätswende, Flächenverbrauch und Wohnen thematisiert. Daraus entstanden Reibungsflächen zwischen langfristigen Strategien und kurzfristigem Veränderungsdruck. Die eingesetzten Partizipationsinstrumente ermöglichten einen Einbezug vieler Akteur*innen, zeigte aber auch Grenzen der Beteiligung auf.

Der Vortrag möchte anhand des Beispiels zwei Aspekte zukunftsbezogener Stadtentwicklung angesichts von Krisenwahrnehmungen adressieren. Erstens benötigt der Umgang mit Zukunftserwartungen eine neue Governancestrukturen. Die Zusammenarbeit von Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Sinne der Quadruple Helix (Carayannis & Campbell 2009) ermöglicht eine multiperspektivische Bearbeitung von Krisen und Herausforderungen, ist aber selbst nicht einfach und kann Konflikte verursachen. Zweitens stößt langfristig geplante Stadtentwicklung auf aktuelle Krisenwahrnehmungen und real zu bearbeitende Probleme in der Stadt, die kurzfristiges Agieren erfordern. Diese Vermischung bringt ebenfalls brisante Verwerfungen zwischen den Akteur*innen mit sich. Damit werden Vor- und Nachteile neuer Formen von Governance und Herausforderungen für langfristige Stadtentwicklung in einer sich schnell ändernden Welt aufgezeigt.