Wohnen wo andere Urlaub machen: Mediale und Kommunalpolitische Debatten um Tourismus und Wohnqualität in Kleinstädten

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 15
Autor*innen
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Beitrag präsentiert Ergebnisse einer Policy- und Medienanalyse, welche sich mit lokalen Tourismusdebatten und -strategien in Kleinstädten beschäftigt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Perspektive der Anwohner*Innen und dem Einfluss von Tourismus auf die wahrgenommene Wohnqualität.

Abstract

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Tourismusbranche in Deutschland an Bedeutung gewonnen, ein Trend, der auch durch die COVID-19-Pandemie nicht nachhaltig aufgehalten wurde. Dieser, an steigenden Übernachtungszahlen und Umsätzen ablesbare Bedeutungszuwachs ist jedoch nicht gleichverteilt. Während insbesondere Großstädte und Metropolen einen starken Anstieg touristischer Nachfrage verzeichneten, zeigt sich beim Blick auf Kleinstädte ein differenzierteres Bild: ehemals etablierte Destinationen haben mit deutlichen Nachfragerückgängen zu kämpfen, während es anderen Kleinstädten gelingt sich neu in der Fremdenverkehrslandschaft zu etablieren.

In Marketing- und Entwicklungskonzepten für Kleinstädte und ländliche Räume wird der Tourismusindustrie häufig eine Schlüsselrolle zugeschrieben: Sie soll Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in die Region bringen und verspricht durch die Einrichtung und Pflege touristischer Attraktionen gleichzeitig eine Aufwertung der des eigenen Images und damit der Lebensqualität für die lokale Bevölkerung. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welchen Stellenwert der Tourismus in den lokalpolitischen Debatten einnimmt und welche lokalen Strategien, Konfliktlinien und Machtkonstellationen in Bezug auf Tourismusentwicklung und Tourismusfolgen sich abzeichnen.

Die hier präsentierten Daten basieren auf einer Policy- und Medienanalyse, welche im Rahmen des DFG-geförderten interdisziplinären Forschungsprojekts „Tourismus und Wohnqualität in Kleinstädten“ durchgeführt wurde. Als Fallstudien dienen drei ausgewählte Kleinstädte mit unterschiedlichen Tourismusentwicklungen: Rüdesheim am Rhein mit einer stagnierenden Entwicklung auf hohem Niveau; Steinau an der Straße mit ansteigender touristischer Nachfrage und Bad König mit sinkendem Tourismusumsatz. Durch Auswertung von kommunalpolitischen Dokumenten (Gremienprotokolle; Statements von Wähler*innen- und Lobbygruppen etc.), sowie von Artikeln der lokalen Presse werden kommunalpolitische Maßnahmen und Entscheidungen mit Tourismusbezug und deren Kommentierung im lokalen, öffentlichen Diskurs analysiert.

In allen drei Städten lässt sich eine Einbettung in regionale Tourismusstrategien und Abhängigkeit von nationalen Reisetrends beobachten. Außerdem spielt die Suche und Vermarktung nach einer spezifischen lokalen Identität eine wichtige Rolle in Debatten rund um den Tourismus. Gleichzeitig wird eine regionale Vernetzung angestrebt um die Attraktivität und Bekanntheit als Tourismusdestination zu erhöhen.

Die Policy- und Medienanalyse bildet die Grundlage für eine weitergehende Feldforschung vor Ort, in welcher die Perspektive der lokalen Anwohner*innen noch stärker in den Blick genommen wird. Darüber hinaus bieten die Erkenntnisse aber auch Anknüpfungspunkte für Tourismusforschung zu Kleinstädten in anderen Regionen Deutschlands und darüber hinaus.