Zu viele am falschen Ort? Regulationen des Vorkommens von freilebenden Tieren in der Stadt
Abstract
Freilebende, „wilde“ Tiere eignen sich verschiedene Räume und Ressourcen in Städten an. Die Beziehungen von Menschen zu diesen Tieren im „Begegnungsraum Stadt“ sind individuell unterschiedlich, kulturell geprägt, durchaus dynamisch und oft ambivalent – geprägt von Nutzungskonflikten, Ängsten, Ekel, aber auch Gleichgültigkeit, Zuwendung oder Begeisterung. Akteur*innen in öffentlicher Verwaltung und Stadtplanung bestimmen mit Entscheidungen über Flächennutzungen meist unabsichtlich und unbewusst, für welche Arten Lebensräume erhalten, geschaffen oder zerstört werden. Demgegenüber widmen sich Naturschutz‑, Jagd- sowie Gesundheitsbehörden gezielt bestimmten Arten freilebender Tieren. Sie begrüßen das Vorkommen geschützter oder beliebter Arten als Steigerung der Lebensqualität in der Stadt. Einige Tiere bekämpfen sie prinzipiell als Schädlinge oder (Gesundheits‑)Risiken, andere, wenn sie die ihnen zugesprochenen Tierräume verlassen, Schaden anrichten oder wenn sie „zu viele“ werden. Maßnahmen, um Konflikte zu lösen, beziehen sich auf den räumlichen Ausschluss bestimmter Tierarten (z. B Vergrämung, Umsiedlung von „Bauverhinderern“) oder die Regulation von Tierbeständen v. a. durch Töten. Andere Maßnahmen schränken die Nutzungsmöglichkeiten bestimmter Räume für Menschen ein (z. B. durch Schutzgebietsausweisungen) oder regulieren Interaktionen von Menschen mit Tieren (z. B. Fütterungsverbote)
In diesem Beitrag diskutiere ich die gängige Erwartung an freilebende Tiere, nur in bestimmten Räumen vorzukommen, sowie die Vorstellung eines „Zuviels“ bestimmter Tierarten in der Stadt. Anhand von historischen und aktuellen Beispielen aus den Verwaltungen deutscher Städte zeige ich das Spektrum der Reaktionen darauf, dass freilebende Tiere sich gerade nicht an die ihnen zugestandenen Räume und Bestandsgrößen halten, sondern deren Grenzen überschreiten. Gezeigt wird auch, wie Interaktionen von Stadtbewohner*innen mit freilebenden Tieren von Seiten der Stadtverwaltung bewertet und reguliert werden. Abschließend werden Ansatzstellen für alternative Strategien vorgestellt, die es ermöglichen, Stadt als gemeinsamen Lebensraum von Tieren und Menschen zu denken.