Zuhause auf Zeit? Alltagspraktiken und Orte der Beheimatung bei temporären Wohnarrangements

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 3
Autor*innen
Maya Kretzschmar (RWTH Aachen)
Kurz­be­schreib­ung
Der Vortrag beleuchtet die Auswirkungen temporärer Wohnarrangements auf die emotionale Beheimatung in deutschen Großstädten. Es werden erste Ergebnisse qualitativer Befragungen mit temporär Wohnenden vorgestellt, die Wohn- und Arbeitsbiographie sowie Alltags- und Wohlfühlorte fokussieren.
Schlag­wörter
Temporäres Wohnen, Beheimatung, Wohnungsforschung, Alltagspraktiken

Abstract

Wohnen wird sowohl lebensweltlich als auch wissenschaftlich häufig als dauerhaft wahrgenommen. In einer von zunehmender Mobilität und Individualisierung geprägten Gesellschaft sind jedoch zeitlich begrenzte Wohnarrangements keine Seltenheit mehr. Postmoderne Wohn- und Arbeitswelten mit endstandardisierten Rhythmen führen zu individualisierten und flexibilisierten Lebensentwürfen, die nicht als dauerhaft, sondern häufig als temporär konzipiert sind. Gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt vielerorts angespannt – insbesondere fehlt kostengünstiger Wohnraum – und konstituiert seinerseits temporäre Wohnarrangements (z.B. Multilokalität mit einem zweiten Wohnsitz an einem kostengünstigeren Wohnort).

Zudem haben atypische Beschäftigungsformen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Unregelmäßige Zeitarbeit und befristete Arbeitsverträge bieten ein hohes Maß an Flexibilität für die Arbeitgebenden, werden von Beschäftigten jedoch häufig aufgrund fehlender Alternativen eingegangen und tragen zu Unsicherheiten im Erwerbsleben bei. Insbesondere junge Menschen starten häufig mit Arbeitsarrangements auf Zeit in das Berufsleben. Teilweise werden die befristeten Verträge und Projektarbeit allerdings auch als attraktive Chancen für die Karriere gesehen.

Befristete Arbeitsverträge und fehlender kostengünstiger Wohnraum begründen zeitlich begrenzte Wohnarrangements und lenken den Blick auf die Debatte um ein „Recht auf Stadt“. Denn es stellt sich inmitten dieser kritischen Zeiten die Frage, welche Partizipationsmöglichkeiten Menschen bei temporären Wohnarrangements an ihren Wohnorten offeriert werden und inwieweit sie Gefühle von Zugehörigkeit und Zuhause, die bisher häufig in Verbindung mit einer Dauerhaftigkeit an einem Ort in Verbindung gebracht wurden, entwickeln können.

An diesem Punkt setzt meine Dissertation an, in der ich mithilfe qualitativen Methoden temporäre Lebensentwürfen einer sehr heterogenen Gruppe, die sowohl gering- als auch hochqualifizierte Personen mit entsprechend unterschiedlichen Einkommenssituationen sowie Wohnarrangements von sehr unterschiedlicher Dauer umfasst, untersuche. Dabei sind auch die Wahrnehmung der Temporalität (Wunschvorstellung, Kompromiss oder Zwang) und die Konsequenzen für die Betroffenen, wie Gefühle von Unsicherheit, Teil der Forschung. Dies untersuche ich am Beispiel von Frankfurt am Main und Leipzig sowie jeweils zwei Umlandgemeinden.

Der Beitrag beleuchtet die Lebenswirklichkeit von temporären Bewohnenden und untersucht die Bedeutung des Zuhauses. Dabei werden sowohl die Wohn- und Arbeitsbiographie als auch emotionale Bezüge zu Alltagsorten und -wegen in den Blick genommen.